Prognose: mehr Steuergeld für den Bund

Laut Schätzung wachsen die Staatseinnahmen dieses Jahr etwas stärker als erwartet

Von Hannes Koch

Die Staatsfinanzen laufen erstaunlich gut weiter – trotz des schwachen Wirtschaftswachstums und der Probleme in der Exportindustrie. Laut der aktuellen Steuerschätzung vom Mittwoch kann Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in diesem Jahr mit knapp 4 Milliarden Euro Mehreinnahmen im Vergleich zur vorangegangenen Prognose vom Mai rechnen. Das schafft wieder einmal Raum für die Debatte, was mit dem zusätzlichen Geld anzufangen sei. Gefordert werden unter anderem zusätzliche Investitionen und Steuersenkungen.

Der Arbeitskreis Steuerschätzung aus Bund, Ländern und Forschungsinstituten hat festgestellt, dass beispielsweise Lohn-, Einkommen- und Umsatzsteuer über den Erwartungen liegen. Darin spiegeln sich die stabile Beschäftigung, die niedrige Arbeitslosigkeit und die rege Binnennachfrage. Die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verdienen gut, und sie geben ihr Geld aus. Das insgesamt nachlassende Wachstum und die Probleme in der Export- und Autoindustrie schlagen erst mal kaum auf die Staatsfinanzen durch.

In den kommenden Jahren jedoch muss der Bund mit weniger stark steigenden Einnahmen rechnen. Die Steuerschätzer korrigierten ihre Berechnungen für 2020 bis 2022 um 4 Milliarden Euro leicht nach unten. 2023 soll es dann wieder stärker aufwärts gehen. Auch für die Länder und Gemeinden wird der Zuwachs wohl etwas geringer ausfallen. Insgesamt aber sollen die Steuereinnahmen auch der aktuellen Schätzung zufolge permanent weiter wachsen – von 796 Milliarden Euro 2019 auf 905 Milliarden 2023. Im Vergleich zu den zurückliegenden Boomjahren ist das Tempo jedoch etwas gedrosselt.

Für dieses Jahr bedeutet die Steuerschätzung auch, dass der Bundeshaushalt wohl einen Überschuss ausweisen wird. Finanzminister Scholz will das Geld erst mal bunkern. CDU-Haushaltssprecher Eckhardt Rehberg plädierte dagegen dafür, die Mittel für Computer an Schulen und den schnelleren Ausbau der bundesweiten Dateninfrastruktur auszugeben. „Bisher stehen im Digitalfonds lediglich 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung, davon 30 Prozent für den Digitalpakt Schule“, sagte Rehberg, „damit wird der Digitalfonds in absehbarer Zeit unterfinanziert sein“. Die Grünen sprechen sich außerdem für Investitionen in den Klimaschutz aus. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte ebenfalls höhere Ausgaben, unter anderem für eine Steuersenkung zugunsten der Unternehmen. Der Bundesfinanzminister könne dafür auch ruhig ein paar Milliarden Euro Schulden aufnehmen, hieß es.

Trotz dieser Diskussion ist die Lage der öffentlichen Finanzen aber nicht mehr so luxuriös wie in den vergangenen Jahren. Der Bundesfinanzminister, der keine neuen Schulden machen will, muss den Haushalt 2020 ausgleichen, indem er rund 9 Milliarden Euro aus den Rücklagen verwendet. Außerdem verpflichtet er die anderen Ministerien, fünf Milliarden Euro weniger auszugeben, als in ihren Haushaltsplänen steht. Und trotzdem sind noch keine Mittel eingeplant, um Koalitionsvorhaben wie die Grundrente zu bezahlen.