Aussteigerhilfe-Projekt für Neonazis: Exit ist gerettet

Das Familienministerium will die Aussteigerhilfe doch weiterfördern. Andere Projekte stehen dagegen weiter vor dem Aus – und protestieren.

Auf dem T-Shirt eines Neonazis steht auf dem Rücken "Wir klagen nicht, wir kämpfen"

Ausgekämpft: Für das Neonazi-Aussteiger-Projekt Exit wird es nun weiterhin Hilfe geben Foto: dpa

Das Aussteigerprogramm Exit kann doch weitermachen. Bei einem Treffen am Donnerstagnachmittag sagte das Familienministerium dem Projekt eine erneute Förderung durch das Programm „Demokratie leben“ zu. Zuletzt stand der Fortbestand von Exit auf der Kippe.

„Ich schätze die Arbeit von Exit“, teilte Familienministerin Franziska Giffey (SPD) mit. „Darum war es mir wichtig, gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten, wie auch künftig eine Förderung möglich ist.“ Man habe nun einen neuen strategischen Ansatz gefunden, mit dem eine Weiterförderung möglich sei. Dies sei nötig, weil gesetzlich eine Dauerförderung nicht möglich sei, so Giffey. „Ich freue mich, dass es uns nun gelungen ist, einen Weg zu finden, die Arbeit von Exit auch künftig unterstützen zu können.“

Auch Exit bestätigte die Zusage. „Wir freuen uns, dass die Hängepartie endlich ein Ende hat und wir unsere Arbeit fortsetzen können“, sagte Sprecher Fabian Wichmann der taz. Das Projekt hatte nach eigener Auskunft bereits begonnen, die derzeit gut 100 betreuten AussteigerInnen „abzuwickeln“. „Nun können wir ihnen mitteilen, dass es doch weitergeht“, freute sich Wichmann.

Exit ist die wohl bekannteste Aussteigerhilfe für Rechtsextremisten. Seit dem Jahr 2000 half sie nach eigenen Angaben mehreren hundert Neonazis beim Rückzug aus der Szene. Über das Bundesprogramm „Demokratie leben“ wurde das Projekt zuletzt mit 225.000 Euro jährlich gefördert.

Geänderter Förderfokus

In der neuen Förderperiode ab 2020 ging Exit aber zunächst leer aus – wie eine Vielzahl anderer Projekte, die sich gegen Extremismus engagieren, auch. Allein bei den sogenannten Modellprojekten werden nun nur noch 100 statt bisher 400 Projekte gefördert. Diese sollen dafür mehr Geld erhalten. Grund ist zudem ein geänderter Förderfokus: So sollen nun mehr Gelder zu Engagierten im Kommunalen wandern, über sogenannte „Partnerschaften für Demokratie“, oder in Landesdemokratiezentren.

Zudem sollte „Demokratie leben“ im kommenden Jahr zunächst von 115 Millionen Euro um acht Millionen Euro gekürzt werden. Nach Protesten einigten sich Giffey und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) aber darauf, die Kürzung zumindest fürs kommende Jahr zurückzunehmen.

Und nun wurde auch Exit gerettet. Die Aussteigerhilfe soll künftig als „Begleitprojekt“ gefördert werden und verstärkt „phänomenübergreifend“ arbeiten. Er hoffe, dass zukünftig solche Wochen der Ungewissheit nicht mehr stattfinden, sagte Exit-Sprecher Wichmann. „Das war eine enorme Belastung für alle.“

Vielen weiteren Projekten droht indes weiter das Aus. Laut Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu-Antonio-Stiftung, betrifft dies vor allem Projekte im strukturschwachen Raum, aber auch im Bereich Antiziganismus, Sexismus oder Hass im Netz. Auch seine eigene Stiftung müsse mehrere Projekte beenden und in Hannover ein Büro schließen, so Reinfrank. Ein aktuelles Gesprächsangebot wie für Exit habe man bisher nicht erhalten.

Timo Reinfrank

„Das Problematischste an der breiten Ablehnung von zivilgesellschaftlichen Engagement ist das politische Zeichen nach außen“

Die abgelehnten Initiativen und Unterstützer wandten sich nun am Freitag mit einem offenen Brief an Giffey und baten um eine deutliche Aufstockung von „Demokratie leben“ auf mindestens 200 Millionen Euro – gerade in Zeiten eines wachsenden Rechtsrucks und nach dem Anschlag von Halle sei dies unabdingbar. „Noch nie war der Bedarf so groß“, heißt es in dem Schreiben. „Wir brauchen Kontinuität in der Arbeit, wir brauchen Planungssicherheit und wir brauchen Unterstützung statt Gängelei.“

„Das Problematischste an der breiten Ablehnung von zivilgesellschaftlichen Engagement ist das politische Zeichen nach außen“, kritisierte Reinfrank. „Es wirkt, als ob man vor Rechtsradikalen kapitulieren würde.“ Für viele Leute vor Ort sei die Förderpolitik des Familienministeriums nicht zu verstehen. „Viele fragen sich, warum sie sich das über Jahre hinweg angetan haben.“

Das Familienministerium hatte zuletzt darauf hingewiesen, dass das Programm bereits von 40 Millionen Euro im Jahr 2014 auf nun 115,5 Millionen Euro erhöht wurde. Auch hätten sich aktuell 1.000 Projekte beworben, die Mittel aber seien begrenzt, so ein Sprecher. „Dies erfordert eine Auswahl.“

Giffey fordert nun eine dauerhafte Förderung der Projekte mittels eines Demokratiefördergesetzes. „Es ist an der Zeit, diesen Schritt zu gehen, auch wenn ein solches Gesetz nicht im Koalitionsvertrag steht.“ Bisher war die SPD mit dieser Forderung an der Union gescheitert. Dort aber bewegt man sich inzwischen. So beschloss der CDU-Vorstand nach Halle ein Maßnahmenpapier, in dem es auch heißt, „die Demokratieförderung des Bundes ist weiter zu verstärken“. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte eine Verbesserung bei der Präventionsarbeit an.

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