Ein Hashtag reicht für die Haft

Eine Bremerin ist im türkischen Izmir verhaftet worden. Sie soll eine Terrororganisation gegründet haben

Für den Anwalt der Festgenommenen ist die Türkei „das neue China“

Von Simone Schnase

Am Dienstag ist eine 45-jährige Bremerin im türkischen Izmir verhaftet worden. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Terrorpropaganda. Mittlerweile, so ihr Anwalt Dogan Akin, sei die Deutsche mit kurdischen Wurzeln nach Ankara gebracht und der Tatvorwurf verschärft worden: Nun soll sie sogar eine Terrororganisation gegründet haben.

„Die türkischen Behörden sollen vor ungefähr drei Wochen eine Liste mit Namen von 70 Personen erhalten haben, die hier politisch aktiv sind“, sagt Akin. Ob auch der Name seiner Mandantin dort zu finden ist, wisse er nicht. Er versuche zur Zeit, an diese Liste zu gelangen.

Früher sei die Beschuldigte in einem Frauenverein für Integration tätig gewesen, sagt Akin, „aber das ist über drei Jahre her.“ Auch ihren Facebook-Account habe sie bereits vor über einem Jahr gelöscht: „Sie ist in den letzten Jahren regelmäßig unbescholten zu ihren Verwandten in die Türkei gereist – zuletzt erst vor einem Monat.“ Über die Gründe für ihre Verhaftung kann er nur mutmaßen: „Viele Menschen wurden in der letzten Zeit verhaftet, bloß weil sie im Internet den türkischen Hashtag für ‚Nein zum Krieg‘ verwendet haben. Heute kam in den türkischen Medien eine Eilmeldung, dass 21 Leute bloß deswegen festgenommen worden sind.“ Ob seine Mandantin den Hashtag benutzt oder an einer der in Bremen zur Zeit nahezu täglich stattfindenden Demos gegen die türkische Militäroffensive in Syrien teilgenommen hat, weiß er nicht.

„Die Türkei ist das neue China“, sagt Akin. Niemand sei dort momentan vor einer Verhaftung sicher. Als Grund dienten bereits kleinste Vorkommnisse, die teils Jahre zurücklägen. „Die Reise- und Sicherheitswarnung des Auswärtigen Amtes sollte jeder sehr ernst nehmen“, sagt Akin. Eine andere Bremerin mit kurdischen Wurzeln sei vor einer Woche verhaftet worden: „Aber weil sie türkische Staatsbürgerin ist, erhält sie keine konsularische Hilfe.“

Das ist bei der 45-Jährigen anders: „Eine konsularische Betreuung erfolgt, wenn diese von der Betroffenen gewünscht wird“, sagt dazu das Auswärtige Amt in Berlin. Man stehe mit dem Anwalt und den Angehörigen in Kontakt. Einfluss hat das freilich kaum. Man müsse damit rechnen, sagt Akin, dass die Frau eine Ausreisesperre oder sogar eine Haftstrafe bekomme.

Eine Häufung von Inhaftierungen Deutscher in der Türkei lasse sich in den letzten Wochen durchaus feststellen, teilt das Auswärtige Amt mit, der Anstieg sei aber bereits vor Beginn der Militäroffensive erfolgt. Einige der Inhaftierten seien wieder auf freiem Fuß. In der Mehrzahl laute der Vorwurf auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder Terrorpropaganda. Zur Zeit befinden sich 63 Deutsche in türkischer Haft.