american pie
: Mann fürs Schaufenster

In den Plänen der Oklahoma City Thunder spielt Dennis Schröder keine große Rolle. Den deutschen Basketballprofi beflügelt das offenbar

Ganz kurz war Dennis Schröder dann doch verwirrt. Allerdings erst nach dem Spiel, als Russell Westbrook in der Kabine der Oklahoma City Thunder auftauchte. War der hier nicht falsch? Spielt Westbrook, elf Jahre lang das Tunder-Aushängeschild, seit dieser Saison nicht für die Houston Rockets? Schröder jedenfalls fragte den ehemaligen Teamkollegen, was er in der Thunder-Kabine zu suchen habe. „Nur gucken, was ein paar alte Kumpels so treiben“, sagte Westbrook und lächelte.

Er hatte ja auch gut lachen. Hatten die Rockets ihr Heimspiel gegen Oklahoma City doch gewonnen. Beim 116:112 gelangen Westbrook 21 Punkte, 12 Rebounds und 9 Assists – und vor allem scheint das Zusammenspiel mit James Harden, der zum Sieg gegen Oklahoma trotz einer wieder einmal katastrophalen Dreierquote stolze 40 Punkte beisteuerte, langsam doch einigermaßen zu klappen. Denn daran hatten die Experten im Vorfeld der Saison vor allem gezweifelt: Gab es doch keinen anderen Spieler in der Geschichte der NBA, keinen Michael Jordan, keinen LeBron James, der den Ball so oft in den Händen gehalten hat wie Westbrook und Harden in den vergangenen Jahren. Nach dem Wechsel von Westbrook aus Oklahoma nach Texas stellte sich die Frage: Wie sollen diese beiden Ballbesitzmonster koexistieren?

Es hilft, dass Harden und Westbrook seit Jahren gute Freunde sind. Sie teilen nicht zuletzt eine Vorliebe für extravagante Bekleidung, die Pressekonferenzen in Houston haben nun endgültig Catwalk-Atmosphäre.

Vergleichsweise wenig glamourös geht es dagegen seit dem Abgang von Westbrook in Oklahoma City zu. Der Klub, dem noch vor wenigen Jahren mit Kevin Durant, Harden und Westbrook die Zukunft zu gehören schien, befindet sich nach dem Verlust seines Dreigestirns in einem radikalen Umbruch. Dennis Schröder, das ist ein offenes Geheimnis, wird dabei keine langfristige Rolle spielen.

Als Gesicht der Franchise ist der 21-jährige Shai Gil­geous-Alexander vorgesehen, der als Aufbauspieler dieselbe Position wie Schröder besetzt. Der 26-jährige deutsche Nationalspieler ist dagegen zu teuer, um als Ersatz-Point-­Guard bei einer Mannschaft im Umbruch und ohne Playoff-Perspektive nur von der Bank zu kommen. Schröder verdient mehr als 15 Millionen Dollar jährlich und steht damit auf der Gehaltsliste aller NBA-Point-Guards an 20. Stelle. Zudem hat OKC mit Altstar Chris Paul noch einen weiteren gut bezahlten Aufbauspieler unter Vertrag, der in der vereins­internen Hackordnung noch vor Schröder steht.

Folgerichtig wird in der Presse und den Internet-Kommentarspalten nun schon seit Wochen kräftig spekuliert, ob und wann Schröder oder Paul oder beide in einem Trade zu anderen Teams mit mehr Ambitionen geschickt werden könnten. Solch ein Tausch könnte vor allem dann passieren, wenn sich, bis sich das Transferfenster Anfang Februar schließt, bei einem der Meisterschaftsanwärter ein Aufbauspieler verletzt. Dann würde der Tauschwert von Schröder, aber auch des 34-jährigen Paul dramatisch steigen.

Es ist deshalb wahrscheinlich, dass sich Schröder erst einmal mit der ungewissen Situation in Oklahoma City wird arrangieren müssen. Spielzeit wird er bekommen, weil die Thunder es sich nicht leisten können, Schröder auf der Bank versauern zu lassen, wenn sie in einem Trade einen halbwegs reellen Gegenwert für ihn bekommen wollen.

Dort im Schaufenster scheint sich Schröder sehr wohl zu fühlen. Gegen Houston war er mit 22 Punkten Top-Scorer seiner Mannschaft – wie schon im vorherigen Spiel gegen Golden State, dem bislang einzigen Sieg der Saison für Oklahoma. Thunder-Trainer Billy Donovan lobt Schröder demonstrativ, sogar für Defensivqualitäten, für die der gebürtige Braunschweiger bislang wenig berühmt war. „Dennis ist sehr wichtig für uns, er passt gut in unser System“, hatte Donovan schon vor der Saison verkündet und so getan, als würde er langfristig mit dem Deutschen planen. Schröder hat wirklich aus­reichend Gelegenheiten, verwirrt zu sein. Thomas Winkler