Nach Präsidentschaftswahl in Bolivien: Dynamit für Evo Morales’ Wahlsieg

Im Streit um Boliviens Wahl vom 20. Oktober droht eine Eskalation der Gewalt. Die Opposition fordert Neuwahlen. Regierungsanhänger bekämpfen Proteste.

Eine Straße ist mit hochkant gestellten Wellblechen blockiert. Auf einem steht '"Bolivien hat nein gesagt."

Sind Anhänger*innen von Boliviens Präsidenten ein Dorn im Auge: Straßenblockaden der Opposition Foto: rtr

LA PAZ taz | Seit Freitagnachmittag geht in La Paz kaum noch etwas. „Die Stadt ist paralysiert. Der öffentliche Nahverkehr ist zusammengebrochen, die Leute gehen dort, wo sie wohnen, auf die Straße und blockieren sie – friedlich, aber bestimmt“, sagt Carmen Capriles. Die Agraringenieurin wohnt in Obrajes, einem Stadtteil zwischen Zentrum und Süden der Stadt. Die Forderung der Leute sei klar: „Annullierung der Wahl, denn die Beweise für Wahlbetrug sind erdrückend“, sagt sie.

Laut offiziellem Endergebnis hat Präsident Evo Morales mit einem Vorsprung von 10,57 Prozentpunkten gegenüber dem zweitplatzierten konservativen Herausforderer die Wahl in der ersten Runde gewonnen. Carmen Capriles glaubt nicht daran. Sie will Neuwahlen, und für viele Bolivianer ist das der einzige Weg aus der politischen Krise, die das Land seit den Präsidentschaftswahlen vom 20. Oktober in Atem hält.

Doch danach sieht es immer weniger aus. Die regierungstreuen Organisationen machen mobil gegen die weitgehend friedlichen Proteste, die das lateinamerikanische Land seit acht Tagen mehr und mehr lahmlegen.

Am Montag marschierten die ersten Hundertschaften von Bergarbeitern in La Paz ein. Ausgerüstet mit Dynamitstangen, von denen einige Dutzend auch zur Explosion gebracht wurden, war die Botschaft der mineros eindeutig: Wenn bis übermorgen die Straßenblockaden nicht abgebaut seien, so Simón Condori, Funktionär der Vereinigung der Bergbau-Kooperativen von La Paz, werden die Kooperativen sie beseitigen.

Tausende legen Städte lahm

Die Ankündigung erfolgte auf einer Feier zum Wahlsieg von Evo Morales am Montag in El Alto, an der weitere Gewerkschaftsvertreter teilnahmen, die sich mit dem Präsidenten solidarisierten. Unter ihnen auch Juan Carlos Huarachi vom Gewerkschaftsdachverband COB, der ankündigte, dass der Einmarsch der Bergarbeiter nur der Auftakt gewesen sei, um den „Staatsstreich“ der Rechten zu verhindern.

Bolivien ist zutiefst polarisiert. Auf der einen Seite die Anhänger der Regierung, die von den Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauszählung und den zahlreichen Indizien für einen Wahlbetrug nichts wissen wollen. Sie fordern die Opposition auf, ihre Niederlage endlich zu akzeptieren.

Auf der anderen Seite die Opposition um den Kandidaten der Bürgergemeinschaft (Comunidad Ciudadana) Carlos Mesa, der zum Protest gegen den Wahlbetrug und zur Verteidigung der Demokratie aufrief – allerdings mit friedlichen Mitteln.

Dem sind vor allem in den großen Städten des Landes Tausende gefolgt, die mit Straßenblockaden Verkehr und Handel lahmgelegt haben. Präsident Evo Morales sicherte zwar am letzten Samstag via Twitter zu, dass es einen zweiten Wahlgang geben werde, falls die Wahlbeobachter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) Beweise für einen Wahlbetrug finden würden.

Vizepräsident spricht von Putsch

Doch das geht Aktivisten wie Marco Antonio Pumari vom Bürgerkomitee in Potosí nicht weit genug: Er fordert die Annullierung der Wahl und den Rücktritt von Evo Morales.

Für Vizepräsident Álvaro Gracía Linera kommt diese Forderung einem Putsch gleich, da sich die Opposition weder mit der Überprüfung der Betrugsvorwürfe noch mit einem 2. Wahlgang zufriedengebe.

Allerdings haben sich die Indizien für einen Wahlbetrug mit der Studie eines Informatiker-Teams von der Universität San Andrés verdichtet. Die haben Daten des obersten Wahlgerichts (TSE) und des Übermittlungssystems (TREP) verglichen und mehr als 2.000 Unregelmäßigkeiten dokumentiert. Der junge Informatiker Edgar Villegas, der die Studie gegenüber CNN erläuterte, wurde daraufhin bedroht.

Morales selbst verwies auf der Veranstaltung in El Alto darauf, dass bereits 90 Länder, darunter Mexiko, seinen Wahlsieg anerkannt hätten. Zugleich betonte er, dass er kein Problem mit einer Neuauszählung der Stimmen und der detaillierten Überprüfung des Wahlergebnisses durch die OAS habe.

Allerdings nannte Morales keinen Termin dafür und erklärte auch nicht, ob die Resultate der Überprüfung direkte Folgen haben würden. Alles andere als gute Vorzeichen für die nächsten Tage.

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