SPDwill sichtbar werden

Auf einem Sonderparteitag wollte die SPD über ihre Wahlniederlage sprechen. Neben erwartbaren Ideen zur besseren Öffentlichkeitsarbeit gibt es auch Strukturkritik

An den Wahlplakaten störten sich viele SPDler. Doch die Gründe für die Wahlniederlage liegen tiefer Foto: taz

Von Lotta Drügemöller

Während die meisten SPD-Mitglieder am Samstag noch da­rauf warteten, wer die Chance bekommt, die Partei in Zukunft anzuführen, warfen die Bremer Genoss*innen einen Blick aufs große Ganze: Warum, zum Teufel, werden wir nicht mehr gewählt? Und was, bitteschön, können wir in Zukunft dagegen tun?

Etwa 250 Besucher*innen kamen zum außerordentlichen Landesparteitag in die Gesamtschule-Ost nach Tenever. Mitglieder hatten die Versammlung nach der Wahlniederlage beantragt, um die Lage zu analysieren und nach Auswegen aus der Krise zu suchen.

Wenig Geld für große Pläne

„Für die neue Zeit“ prangte als Motto über dem Redepult. Dass die nächste Zeit für Bremen eher eine schwierige werden könnte, machte Bürgermeister Andreas Bovenschulte klar. „Der Rahmen für den Haushalt ist eng – und die Lage ist in den letzten Wochen nicht besser geworden.“ Die nötigen Finanzspritzen für Kliniken und Flughafen belasteten den Haushalt. Und auch die Einnahmenseite werde wohl nicht gut aussehen: Bremens Wirtschaft ist im 1. Halbjahr um 0,4 Prozent geschrumpft; die Werksschließungen von Senvion in Bremerhaven und Bosch in Bremen, sowie die Kurzarbeit bei den Stahlwerken lassen für das zweite Halbjahr nichts Besseres vermuten.

Angesichts der kleinen Spielräume bat Bovenschulte seine Genoss*innen, nicht mit Parteiforderungen öffentlich voranzupreschen, sondern auf die Haushaltsverhandlungen zu warten. Gerade in einer Dreierkonstellation müssten alle Partner Zurückhaltung zeigen – „sonst gibt’s die schnelle Schlagzeile, aber keinen langfristigen Regierungserfolg“.

„Ran an die Menschen“

Bovenschulte selbst hielt sich an seine Ansage und mit inhaltlichen Aussagen auffällig zurück. Bis auf ein paar Worte zur Stärkung der Tarifbindung und zum Bau neuer Schulen war aus ihm nicht viel herauszuholen. Lieber forderte der Bürgermeister die Wiederbelebung der SPD als „Kümmererpartei“: „Wir müssen ran an die Menschen“, sagte er. „Das wird nicht weniger wahr dadurch, dass man es schon oft gehört hat.“

Tatsächlich hörte man den Spruch in den folgenden Stunden noch oft – in Arbeitsgruppen entwickelten die SPDler Vorschläge, wie man sichtbarer werden könnte. Social Media und ein auffälligeres Parteibüro waren so Ideen, kritisiert wurden dagegen die farblosen Wahlplakate. Aktionen wie „den Stadtteil aufräumen“ wurden vorgeschlagen und Infostände auf Bürgerfesten sollten künftig Bastelaktionen anbieten. „Wenn die Kinder dort sind, bleibt den Eltern gar nichts anderes übrig, als mit uns zu reden“, so ein Delegierter.

Volker Stahmann forderte seine Genoss*innen auf, sich in der Öffentlichkeit als SPDler zu positionieren – und zeigte seine „Sozi“-Cap vom Freimarkt. „Ihr glaubt nicht, mit wie vielen Leuten man ins Gespräch kommt“, so der Bürgerschaftsabgeordnete. Meistens heiße der erste Satz: „Du bist ja mutig.“

Ein besonderes Defizit hat die SPD bei jungen Menschen: „Der Altersschnitt in unserem Ortsverein liegt bei knapp unter 70“, so Stahmann. Nur 15 Prozent der Erstwähler*innen entschieden sich bei der Bremen-Wahl für die SPD. Die Partei sei bei vielen Themen als Bremskraft wahrgenommen worden, kritisierten die Jusos – und wollten sich für die Zukunft an der Grünen Kai Wargalla orientieren, die auf etlichen kulturpolitischen Veranstaltungen zu sehen ist.

„Wir sind zu Recht in der Haftung für das, was in Bremen gut oder schlecht läuft“

SPD-Mitglied
Intransparent, zerstritten, undemokratisch

Während diese einigermaßen erwartbaren Ideen niemandem wehtaten, gab es auch kritischere Töne: Die Kommunikation der SPD sei schlecht – auch innerhalb der Partei. „Wir müssen uns von den Linken im Beirat informieren lassen, was im Bauausschuss läuft“, so die ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete Gisela Fröhlich.

Benachbarte Ortsvereine, so ein weiterer Kritikpunkt, seien teils zerstritten – eine mögliche Neuordnung nach Beiratsgebieten werde damit extrem schwierig. Und dass die Wahllisten vom Landesvorstand aufgestellt würden, sei undemokratisch – „Wer ein neues Bestimmungsverfahren für die Liste fordert, ist selbst ganz schnell weg“, sagte eine Genossin.

Flache inhaltliche Debatte

Die Frage nach inhaltlichen Gründen für die Wahlniederlage wurde nur von wenigen gestellt. „Wir sind zu Recht in der Haftung für das, was in Bremen gut oder schlecht läuft“, mahnte ein Mitglied in einer Arbeitsgruppe an. Und Juso Aaron Thatje bemängelte, die Partei wisse nicht, wohin sie wolle. „Wir machen hier eine neue Querung und erweitern da eine Bahnlinie – aber die Leute wollen wissen, was unsere Idee für den Verkehr der Zukunft ist.“