Seenotrettung und Libyen: Warnschüsse auf Rettungsschiff

Die Küstenwache feuert auf das deutsche Schiff „Alan Kurdi“ Warnschüsse ab. Dabei waren die Behörden vorab über die Aktion informiert.

Migranten in einem Schlauchboot

Migranten sitzen in einem Schlauchboot vor der Küste Libyens. Vorher waren Warnschüsse abgegeben worden Foto: dpa

BERLIN taz | Das Rettungsschiff „Alan Kurdi“ der deutschen NGO Sea-Eye ist am Samstag von bewaffneten libyschen Küstenwächtern bedroht worden. Sie gaben Warnschüsse ab und versuchten über zwei Stunden lang, eine Rettungsaktion zu stoppen. Der Vorfall ereignete sich etwa 15 Meilen nördlich der libyschen Küste in internatio­na­len Gewässern. Zwei Boote waren in Seenot geraten.

Über die Initiative „Alarm Phone“ erhielten die „Alan Kurdi“ und zwei weitere NGO-Schiffe die Koordinaten. Die „Alan Kurdi“ war zu diesem Zeitpunkt von der Unglücksstelle etwa eine Stunde Fahrt entfernt. Die Crew habe wie üblich die Behörden von Libyen, Malta, Italien und Deutschland informiert, dass sie zum Rettungseinsatz unterwegs sei, sagte Sea-Eye-Vorstand Gorden Isler der taz. „Nachdem wir etwa 10 der 92 Schiffbrüchigen evakuiert hatten, kamen die Schnellboote“, sagt Isler.

Auf Videos von Sea-Eye sind zwei Boote zu sehen, am Heck ist jeweils eine große libysche Fahne montiert, vorn schwere Maschinengewehre. „Einige waren maskiert, andere nicht. Sie haben Störmanöver gemacht und wollten offenbar alles tun, damit wir die Rettung abbrechen“, sagt Isler. „Sie waren etwa zwei Stunden vor Ort, haben immer wieder Warnschüsse abgegeben und uns mit Gesten signalisiert, dass sie auch auf uns schießen würden“, so Isler.

Zeitweise hätten sie versucht zu verhindern, dass die „Alan Kurdi“-Crew Ertrinkende aus dem Wasser zieht. Die Crew habe die Rettung trotzdem fortgesetzt, sagt Isler. „Es war großes Glück, dass wir eine halbe Stunde Vorsprung hatten und den Menschen in dieser Zeit Rettungswesten anlegen konnten.“ Als die Libyer kamen, seien viele der Geflüchteten in Panik ins Wasser gesprungen. Ohne die Rettungswesten hätte es viele Tote gegeben, sagt Isler.

Völliger Schock

Die „Alan Kurdi“ war drei Tage zuvor im Einsatzgebiet angekommen. Die Crew besteht aus 17 Personen, die meisten aus vor allem aus Deutschland, Italien, Spanien, und Frankreich. In der Vergangenheit hatte es mehrere solcher Vorfälle gegeben, bei denen die von der EU ausgestatteten und trainierten libyschen Küstenwächter europäische Rettungsschiffe mit Warnschüssen bedrohten. „Wir selber waren aber noch nie mit einer solchen Aggression konfrontiert“, sagt Isler. „Für die Crew war das ein völliger Schock.“

Noch am Abend erschien auf Facebook eine Erklärung der libyschen Marine. Darin streitet diese ab, in den Vorfall verwickelt zu sein. „Unsere Patrouillen haben ein Boot einer Nichtregierungsorganisation weder abgefangen noch bedroht oder beschossen.“

Sie ruft die libysche Regierung auf, eine Untersuchung und juristische Schritte gegen die Verantwortlichen einzuleiten. „Die libysche Küstenwache ist verantwortlich“, sagt Isler. „Wir haben die Libyer informiert, und sie haben diese Leute dahin geschickt.“ Die „Alan Kurdi“ nahm Kurs auf die italienische Insel Lampedusa. Sie wurde dort am Sonntagmittag erwartet. Es war unklar, ob die 91 Geretteten dort von Bord gehen dürfen.

Am Sonntag ist Außenminister Heiko Maas (SPD) in Libyen eingetroffen. In dem Küstenort Suara will er Premier Fajis al-Sarradsch treffen, der die international anerkannte Regierung führt. Sie kontrolliert aber nur einen kleinen Teil des Landes.

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