Kurden in Nordsyrien: Das Ende für Rojava

Russland und die Türkei haben über das Schicksal Nordsyriens beraten. Das ist das Endeder kurdischen Selbstverwaltung in dem Gebiet.

Soldatinnen in Uniform stehen mit Gewehren in einer Reihe.

Angespannt: Kurdische Polizeikräfte bewachen eine Demonstration gegen Erdoğan im syrischen Kamischli Foto: reuters

ISTANBUL taz | Mit einer verzweifelten Botschaft versuchte Ilham Ahmet, Präsident des Demokratischen Kongresses in Nordsyrien, bei einem Besuch bei der Opposition in Washington noch einmal gegen den US-Rückzug aus Nordsyrien zu mobilisieren: „Wir werden niemals zustimmen, dass unser Land besetzt wird.“ Ahmet sitzt einer der Institutionen vor, die die syrisch-kurdische Selbstverwaltung in Rojava gegründet hatten. Ähnlich äußerte sich am Mittwoch einer der Sprecher der kurdischen Gemeinde in Deutschland, Mehmet Tanriverdi. Der Westen dürfe doch Syrien und den Nahen Osten nicht den Russen überlassen.

Am selben Tag aber entschieden der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und sein russischer Partner Präsident Wladimir Putin am Dienstagabend in Sotschi über das Schicksal Nordsyriens.

Nach Angaben von US-Präsident Donald Trump hat die Türkei am Mittwochabend schließlich eine dauerhafte Waffenruhe in Nordsyrien verkündet. Daraufhin hob Trump auch die US-Sanktionen gegen die Türkei auf.

Putin und Erdoğan haben das Schicksal Nordsyriens längst unter sich ausgemacht. Und Rojava, als de facto autonomes kurdisches Gebiet, hat darin keinen Platz mehr.

Nach dem von den USA erzwungenen Rückzug der kurdischen YPG-Miliz aus dem Gebiet zwischen Ras al-Ain und Tal Abjad fordern nun Putin und Erdoğan in einer ähnlichen Vereinbarung, wie sie zuvor US-Vizepräsident Mike Pence mit Erdoğan geschlossen hatte, den Rückzug der YPG-Miliz aus dem gesamten Grenzgebiet zwischen dem Euphrat und der irakischen Grenze. Bis Dienstag kommender Woche haben sie dafür Zeit, Erdoğan und Putin haben eine Waffenruhe festgelegt.

Kurden haben jeglichen Schutz verloren

Ab dann wollen russische Militärpolizisten gemeinsam mit Einheiten der türkischen Armee die Grenzregion überwachen. Sollten die YPG-Kämpfer sich weigern, der Aufforderung nachzukommen, beschrieb gestern Kreml-Sprecher Dimitri Peskow, was dann passieren würde: Die russische Militärpolizei und die syrischen Grenzwächter des Assad-Regimes würden sich zurückziehen und die verbleibenden Kurden der türkischen Armee über­lassen. „Die würden sie dann in der Tat zermalmen“, sagte Peskow und nahm damit auf eine Drohung Erdoğans Bezug.

Am Mittwochmorgen haben Einheiten der russischen Militärpolizei im kurdischen Kobani und Manbidsch, zwei besonders umkämpfte Städte in der Region, bereits Stellungen bezogen. Das entspricht nicht nur dem Deal zwischen Erdoğan und Putin, sondern auch der Vereinbarung, die Vertreter der Kurden zuvor zum Schutz gegen die türkische Armee bereits mit dem Assad-Regime getroffen hatten – nur dass Assad und Putin nun mit Erdoğan zusammenarbeiten und die Kurden damit jeglichen Schutz verloren haben.

Nach der Vereinbarung von Sotschi von Dienstagabend ist deshalb auch nicht mehr vorstellbar, dass die kurdische Selbstverwaltung weiter funktionieren kann. Jenseits der 30-Kilometer-Zone, aus der die kurdischen Einheiten sich zurückziehen müssen, ist bis auf die Region al-Hasaka ganz im Nordosten Syriens vorwiegend Wüste.

Vielen Flüchtlingen – die Vereinten Nationen sprechen von 160.000 Menschen, die Kurden gar von 400.000 geflohenen Zivilisten – wird deshalb auch nicht viel mehr übrig bleiben, als in ihre Dörfer und Städte zurückzukehren, auch wenn die dann unter russisch-syrischer oder türkischer Kontrolle stehen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar zum Treffen von Putin und Erdoğan in Sotschi.

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