Besetzter Wald in Hamburg: Ultimatum der Polizei verstrichen

50 Leute erwarten die Räumung eines Baumhauses im Vollhöfner Wald. Am Ende belässt es die Polizei bei einer Aufforderung.

Besetzerin kletter an Seil entlang um ein Transpaerent aufzuhängen: up with trees down with captalism

Kapitalismuskritisch im Wald unterwegs: Eine Baumbesetzerin bringt ein Plakat an Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Es war ein bisschen wie Silvester, Mittwochmittag im besetzten Vollhöfner Wald. Als die Zeiger langsam gegen zwölf Uhr vorrücken, geben die Leute am Baumhaus immer wieder die verbleibenden Minuten durch. Doch das von der Polizei gesetzte Ultimatum verstreicht, ohne dass ein Polizist auftaucht, geschweige denn schweres Gerät, das für die Räumung des Baumhauses in dem bedrohten Wald nötig wäre.

Gut 50 Leute haben sich am Vormittag rund um das Baumhaus versammelt: die Besetzer, junge Leute, die an Seilen auf dem Bauhaus herumturnen, und auch Leute von der Klimaschutzinitiative Vollhöfner Wald, die seit Wochen mit Spaziergängen auf den Wert dieses Areals aufmerksam macht, das mit Lagerhallen bebaut werden soll.

Der Vollhöfner Wald ist eine Brachfläche im Hafenerweiterungsgebiet, in der sich die Vegetation 50 Jahre lang fast ungestört entwickeln konnte. Hier hausen sechs geschützte Fledermausarten. Hier brüten die Rote-Liste-Vögel Gelbspötter, Neuntöter und Trauerschnäpper. Hier gibt es Biotope wie Auwald, Trockenrasen und Staudensäume.

Anlässlich der drohenden Eskalation forderten die großen Umweltverbände, den Wald zu erhalten. „Alles andere würde den bundesweiten Zielen des Klima- und Artenschutzes entgegenstehen“, warnt der Nabu. Die Bürgerschaftsparteien müssten sich im Vorfeld der Wahl klar zum Wald positionieren. Der BUND fordert, den Wald „aus dem Hafenerweiterungsgebiet heraus zu nehmen und in das Verwaltungsvermögen der Umweltbehörde oder des Bezirks Harburg zu übertragen“.

Streit im Senat

In der Senatsvorbesprechung am Dienstag sorgte das Thema nach taz-Informationen für Streit zwischen den Grünen und der SPD. Während die SPD der Hamburger Linie „Räumung binnen 24 Stunden“ folgen wollte, sperrten sich die Grünen. Allerdings wäre eine Räumung auf dem Gelände zwischen Deich und Alter Süderelbe, mit Matschboden und umgestürzten Bäumen, eine ziemliche Herausforderung.

Der Senat verschickte am Dienstagabend die Mitteilung, bis 2023 sei „nicht geplant, einen Eingriff in die Baumsubstanz der Vollhöfner Weiden vorzunehmen“. In der Landespressekonferenz hatte Umweltsenator Jens Kerstan zuvor gesagt, dass „in der heutigen Zeit, wo die Bekämpfung des Klimawandels im Mittelpunkt steht, es nicht mehr in die Zeit passt einen solchen Wald für Logistikflächen zu roden“. Im Falle einer künftigen grünen Regierungsbeteiligung werde darüber zu reden sein, „auf die Inanspruchnahme des Gebiets grundsätzlich zu verzichten“.

Unterdessen werkelten die Baumbesetzer am Ausbau ihres Baumhauses. Inzwischen gibt es Schlafkojen, einen Mini­balkon mit Bänkchen und einen Rauchmelder – denn Brandschutz wird groß geschrieben, seit die Polizei argumentiert, der Wald könnte abbrennen.

„Unverständliche“ Härte

Die Baumbesetzer verhielten sich verantwortungsbewusst, sagt Hinrich Brunkhorst von der Klimaschutzinitiative, der sich im Baumhaus umgesehen hat und sich als „Mitglied der bürgerlichen Mitte“ bezeichnet. Die SPD fahre „eine Politik der Härte, die wir völlig unverständlich finden“.

Am Mittwoch blieb es aber bei fünf Polizisten, die gegen 14 Uhr zum Baumhaus kamen und darauf hinwiesen, dass es sich um eine unrechtmäßige Versammlung handle, die aufzulösen sei.

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