Die Qual der Wahl

Der Filmwissenschaftler Winfried Pauleit will Dekan der Kulturwissenschaften der Uni werden. An seiner Kandidatur gibt es allerdings Kritik des studentischen Fachbereichsrats

Pauleit schreibt in einem Positionspapier zu seiner Bewerbung, man wolle die „Über- und Unterauslastung“ von Studiengängen abbauen

Von Mahé Crüsemann

Eigentlich sollte die Wahl Winfried Pauleits zum neuen Dekan des Fachbereichs Kulturwissenschaften an der Uni bereits im Juli stattfinden. Aber damals, auf der letzten Fachbereichsratssitzung im Sommersemester, haben die Studierenden das vereitelt. Und auch der nächste Termin am 6. November steht unter keinem guten Stern: Am heutigen Mittwoch muss sich Pauleit bei einer Vollversammlung des Fachbereichs der Kritik und den Fragen der Teilnehmenden stellen.

Der Vorwurf der Studierenden lautete im Sommer: Das Team um Pauleit hätte intransparent gehandelt, es wären Absprachen hinter verschlossenen Türen getroffen worden, eine Kommunikation im Vorfeld hätte nicht stattgefunden. Mit Trillerpfeifen bewaffnet drohten darum am Tag der Wahl über hundert Studierende mit der Blockade der Sitzung, wenn die Wahl nicht verschoben würde – mit Erfolg.

Der oder die Dekan*in leitet einen Fachbereich und wird für zwei Jahre gewählt. Zu den Aufgaben des Dekanats gehören unter anderem, Vorschläge zur Aufstellung des Haushaltsplans für die Stellen- und Mittelzuweisung und zur Lehrauftragsplanung zu machen. Bewerber Winfried Pauleit ist Filmwissenschaftler, seit 2003 Professor an der Uni Bremen und Mitgründer des Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) der Uni. Seine Forschungsschwerpunkte sind neben Filmästhetik und Filmgeschichte auch Geschichte der feministischen Filmtheorie.

Pauleit gab seine Kandidatur etwa eine Woche vor der letzten Fachbereichsratssitzung im Juli 2019 bekannt. Die Studierenden rechneten allerdings mit einer Wiederwahl der amtierenden Dekanin Dorle Dracklé. „Wir sind alle davon ausgegangen, sie macht es noch mal zwei Jahre“, sagt Dominik Lange, studentischer Fachbereichsratsvertreter. „Sie hat auf der vorletzten Sitzung gesagt, dass sie noch einmal antreten würde, wenn es keine Einwände gibt.“ Und da es keine Einwände gegeben hätte, seien alle von einer Wiederwahl ausgegangen, so Lange. Nun gab es scheinbar plötzlich zwei Kandidat*innen.

Winfried Pauleits kurzfristige Kandidatur ließ dem Fachbereichsrat nur etwa eine Woche Zeit, um sich über die Pläne des Bewerbers zu informieren. Die Bitte der Studierenden, die Wahl wegen dieser kurzen Vorbereitungszeit zu verschieben, wurde von Pauleit abgelehnt.

Nach dieser Ablehnung der Anfrage sei der Unmut der studentischen Vertreter*innen gewachsen, so Lange. Sie sahen ihren Vorwurf der Intransparenz bestätigt. Viele seien verwundert gewesen, dass von Pauleits Kandidatur vor der offiziellen Bekanntgabe scheinbar niemand etwas ahnte. Auch Gerüchte über Pläne zur Umbenennung des Fachbereichs machten die Runde. Die studentischen Fachbereichsratsvertreter befürchteten außerdem, dass Institute geschlossen würden, um die Lehrplanung beim Dekanat zu zentralisieren. Von diesen Aussagen habe sich Winfried Pauleit aber in Gesprächen mit Studierenden distanziert. Der taz gegenüber wollte er sich im Vorfeld der heutigen Vollversammlung nicht äußern.

Nachdem die Wahl verschoben wurde, forderte die studentische Fachbereichsratsvertretung ein Positionspapier der Bewerber*innen, aus dem hervorgehen sollte, welche Ziele sie oder er als Dekan*in verfolge. Das Team Pauleit schreibt darin, zu den „Herausforderungen“, vor denen der Fachbereich stünde, würden auch die „Über- und Unterauslastung von Studiengängen“ gehören. Im weiteren Verlauf heißt es, man wolle diese „Über- und Unterauslastung“ abbauen – Grund genug für die Studierenden nun zu befürchten, dass die, wie sie es in einer Mail an die Fachbereichs-Kommiliton*innen schreiben, „unrentablen“ und kleinen Studiengänge auf lange Sicht geschlossen werden sollen. „Dazu zählen wir insbesondere einige Studiengänge aus den Bereichen Philosophie, Musikwissenschaft und Kunstwissenschaft. Hier sehen wir die Notwendigkeit einer Positionierung“, heißt es in der Mail.

Der offiziellen Einladung zur heutigen Vollversammlung ist das Positionspapier vom Team um Pauleit beigefügt. Die Einladung offenbart noch mehr: nämlich, dass bei der Wahl des Dekanats am 6. November jetzt lediglich Winfried Pauleit kandidiert. Dorle Dracklé stellt sich, entgegen ihrer Aussage, nicht auf.

Anfang Oktober habe sie den Vorsitz der Deutschen Gesellschaft zur Sozial- und Kulturanthropologie übernommen, ließ sie der taz mitteilen. Da dieses neue Amt viel Zeit in Anspruch nehme, habe sie ihre Kandidatur zurückgezogen. Weitere Fragen wollte auch sie vor der heutigen Veranstaltung nicht beantworten.

„Wir haben viele Fragen an Herrn Pauleit“, sagt Dominik Lange. „Wir wollen, dass er sich auf der Fachbereichsversammlung explizit zu allen Studiengängen und allen Instituten des Fachbereichs bekennt.“