Tot umfallende AktivistInnen, Streiks in Mumbai

Klimastreiks weltweit: Tausende meist junge Leute machen mit zahlreichen und vielseitigen Aktionen auf den Klimanotstand aufmerksam. In Südamerika allerdings ist der Protest verhalten. Vier Korrespondenten berichten aus vier Städten

In London lief es nicht ganz so friedlich ab Foto: John Keeble/getty images

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Am Montag in Melbourne, Australien Foto: Darrian Traynoer/getty images

Zu Beginn der weltweiten Klimaproteste kam es in Amsterdam und London zu zahlreichen Festnahmen. Die Amsterdamer Polizei nahm etwa 50 Demonstranten bei einer Blockadeaktion in Gewahrsam. In London legten Teilnehmer des Klimaprotests teilweise den Verkehr lahm. Mehrere Gruppen von Demonstranten blockierten am Morgen die Westminster Bridge und mehrere Straßen im Regierungsviertel. Bereits wenige Stunden nach Beginn des Protests hatte es am Montag in der britischen Hauptstadt mehr als 130 Festnahmen gegeben. Auch in Australien und Neuseeland demonstrierten Hunderte Aktivisten.

Die-ins! in Chile und Argentinien

Mit einem Die-in! hatten am Sonntag in Chile die Aktionen von Extinction Rebellion Santiago begonnen. Plötzlich fielen im Zentrum der Hauptstadt rund 40 Klimaaktivist*innen tot um. Allerdings wusste kaum jemand der sonntäglichen Spaziergänger*innen mit dem Aufdruck ‚#XRChile‘ auf den T-Shirts der symbolischen Toten etwas anzufangen. Eindeutiger war die Forderung nach der Ausrufung des Klimanotstands. Auch wenn Chile im Dezember die weltweite Klimakonferenz COP25 ausrichtet, ist der Klimawandel noch immer kein breitverankertes Thema. Ein Die-in! war auch der Startschuss für Extinction Rebellion in Argentinien. Schon vor einigen Wochen fielen 30 Jugendliche im Museum der schönen Künste vor den Gemälden alter Schlachthöfe und zerlegter Rinder tot um. Seither kommt es immer wieder zu kleineren Protestaktionen, wie die vor der brasilianischen Botschaft gegen die Brände im Amazonas. An der heutigen Extinction Rebellion beteiligen sich die Akti­vist*in­nen mit einem rebellischen Frühstück. Auf der Plaza San Martín, auf der sonst hohe Staatsgäste mit allen Ehren in Argentinien empfangen werden, werden sie gegen den Klimawandel frühstücken.

Jürgen Vogt, Buenos Aires

Proteste gegen Rodungen

„Die Leute dürfen nicht einmal dort stehen, geschweige denn protestieren“, sagt Harshad Tambe. Trotzdem macht sich der Student auch am Montag erneut auf zur ehemaligen Milchkolonie Aarey, dem Stadtwald Mumbais. Seit Wochen streiken die BürgerInnen der westindischen Metropole für dessen Erhalt. Denn nach der Kolonialzeit wuchs die ehemalige Weidewiese zu einem wilden Dschungel heran. Doch die Stadtregierung erkennt das Gelände nicht wie Tambe und viele andere junge Leute als „grüne Lunge“ an, sondern als Projektfläche, auf der ein Betriebsbahnhof der neuen Metro entstehen soll. Dass dadurch Indigene und Tiere ihren Lebensraum verlieren, stört wenig. Ein Haufen Lügen sei über Aarey veröffentlicht wurden, sagt der Umweltschützer und Aktivist Zoru Bhathena, der gerichtlich klagte. Doch am Freitag wurde Aarey abgesprochen, ein Wald zu sein. Noch am gleichen Abend begannen die Behörden mit der Rodung, die massive Proteste auf dem Aarey-Gelände auslöste. Über das Wochenende wurden knapp 30 Protestierende unter Polizei-Arrest gestellt.

Natalie Mayroth, Mumbai

Boot auf Straße

In Madrid waren die Klimarebellen früh am Start. Bereits um 8 Uhr blockierten sie den Verkehr vor den Ministeriumsgebäuden auf dem Paseo de la Castellana, einer der Hauptverkehrsadern der spanischen Hauptstadt. Hunderte, meist junge Leute nahmen an der „gewaltfreien, direkten Aktion“ teil, zu der sie sich im Vorfeld online eingeschrieben hatten. Sie beklagten die „verbrecherische Untätigkeit der Regierung angesichts der klimatischen Notlage“. Die Demonstranten stellten ein Boot auf der Straße quer. Es stand als Symbol für die steigenden Meeresspiegel, die zunehmend die spanischen Küsten bedrohen. Außerdem errichteten die Demonstranten ein Protestcamp vor den Toren des „Ministeriums für den ökologischen Umbau“, wie das Umweltministerium heißt, seit der Sozialist Pedro Sánchez vor etwas mehr als einem Jahr an die Regierung kam. „Wir brauchen eine gesellschaftliche Mobilisierung angesichts der fehlenden Maßnahmen durch die Regierung“, erklärte der ehemalige Chef von Greenpeace Spanien und derzeitige Parlamentsabgeordnete der linksalternativen Unidas Podemos, Juan López de Uralde.

Reiner Wandler, Madrid

Shopping-Center besetzt

Als Auftakt zu weiteren Aktionen in dieser Woche hatten Mitglieder von XR am Sonntag bereits am Vormittag das Einkaufszentrum „Italie 2“ im Süden von Paris besetzt. In kleinen Gruppen gelang es ihnen, unbemerkt in die weitläufige Shopping-Anlage gelangen. Den später informierten Medienleuten erklärte eine junge Frau, die sich Sarah nannte, den Sinn der Aktion: „Dieser Ort ist ein Symbol für den Irrweg unseres wirtschaftlichen Systems. Es ist die Endstation einer Überproduktion, die das Lebende und die Arbeitenden ausbeutet.“ Bald entwickelte sich eine lebhafte Debatte mit den Passanten sowie den Inhabern und Beschäftigten der Geschäfte, die in der Folge zum Teil aus Angst vor Ausschreitungen oder aus Solidarität mit dem Anliegen von XR geschlossen blieben. Auch einige AktivistInnen der „Gilets jaunes“ und anderer Gruppen waren gekommen, um die Aktion zu unterstützen. In einer halsbrecherischen Kletterübung gelang es, an der Fassade Spruchbänder zu befestigen. Wie es zu erwarten war, fuhr nach einigen Stunden vor dem Zentrum die Polizei vor, die zunächst zögerte, gegen die gewaltlos Protestierenden vorzugehen.

Rudolf Balmer, Paris