Katalanischer Konflikt: Angst vor Botschaften

Der verschobene Clásico zwischen Barça und Real löst Irritationen aus. Der spanische Ligapräsident Javier Tebas könnte aus Kalkül gehandelt haben.

Man sieht im Vordergrund verschwommen zwei Fußballspieler auf der Stadionwiese, im Hintergrund viele Barcelona-Fans, die katalanische Flaggen hochhalten.

Die Barça-Fans flaggen die Arena katalanisch Foto: imago images/PanoramiC

BARCELONA taz | Ernesto Valverde ist einer der besonnensten Typen, die man in Spanien nur finden kann. Der Trainer des FC Barcelona gilt daher vielen als ein wenig langweilig. Politisch und territorial ist er im polarisierten Klima dieser Tage auch nicht zuzuordnen: Er kommt aus der sehr spanischen Region Extremadura, wuchs im weniger spanischen Baskenland auf und arbeitet jetzt also im Krisenherd Katalonien. Weshalb er sich permanent zu einem Kollateraleffekt dieser von Straßenkämpfen zwischen radikalen Separatisten und der Polizei begleiteten Krise äußern muss: dem vorerst abgesagten Clásico zwischen seiner Mannschaft und Real Madrid.

Die beteiligten Vereine wurden für diese Entscheidung nicht konsultiert, also auch nicht Valverde. Der hätte nämlich einen anderen Vorschlag gehabt: zu spielen. „Wir hätten zeigen können, dass man den Gegner und Rivalen respektiert und dass man die Normen des Gemeinsinns einhält“, sagte er. „Vor allem hätten wir die ganzen Schwarzseher eines Besseren belehren können.“

Jene also, die – drei Wochen vor Parlamentswahlen teilweise durchaus mit politischem Kalkül – das Land zum Chaosfall erklären. Besonnen oder naiv? Valverde lebt in der Fußballerblase. Seine Mannschaft trainiert in einem Vorort Barcelonas und spielte am Wochenende auswärts, bei den schwersten Ausschreitungen am Freitagabend war sie nicht da. Andererseits geht das Leben tagsüber selbst in der Innenstadt seinen normalen Gang, war der Clásico für 13 Uhr mittags angesetzt und gilt das Publikum des FC Barcelona als absolut friedfertig.

Innenminister Grande-Marlaska

„Wir haben dienötigen Mittel, um die Sicherheit dieser Partie zu garantieren“

Kritiker irritierten Zeitpunkt und Zustandekommen der Entscheidung. Sie wurde schon über eine Woche vor dem Termin vom spanischen Fußballverband auf Antrag der spanischen Fußballliga getroffen. Die örtlichen Behörden, die Polizei oder die Regierung wurden nicht konsultiert. Spaniens Innenminister Fer­nando Grande-Marlaska erklärte: „Wir haben die nötigen Mittel, um die Sicherheit dieser Partie zu garantieren – wann immer sie gespielt wird.“

Gewaltbereite Gruppen

Angeregt wurde die Verschiebung vom spanischen Ligapräsidenten Javier Tebas, der ursprünglich das Spiel nach Madrid verlegen wollte und dafür das Rückspiel im Frühjahr nach Barcelona. Tebas argumentierte mit Recherchen der Liga, die soziale Netzwerke rastern würde und dabei auf Botschaften gewaltbereiter Gruppen für den Clásico gestoßen sei.

Um klassische Fankrawalle kann es dabei zwar nicht gehen: Auswärtsreisen haben in Spanien keine Tradition. Doch welcher Sportfunktionär will sich schon verantwortlich dafür machen, solche Warnungen übergangen zu haben? Das zuständige Spielleitungs-Komitee des spanischen Verbandes, bestehend aus Experten im Fußball, nicht in Politik oder Polizeiarbeit, sagte das Spiel ab. Der Tausch der Spielorte musste wegen des Widerstands beider Vereine abgelehnt werden.

Die Frage bleibt, warum die Liga für den Herbst-Clásico überhaupt den Spielort Barcelona ansetzte, wo das Gerichtsurteil gegen Köpfe des illegalen Unabhängigkeitsreferendums vom Herbst 2017 seit Langem für den Oktober angekündigt war und danach seit jeher Proteste erwartet wurden. Die Frage stellt sich umso mehr, wenn man den zweiten Hauptgrund für die Verschiebungsinitiative in Betracht zieht: Die Liga wollte verhindern, dass die Zuschauer die Bühne dieses sportlich großen wie politisch aufgeladenen Traditionsduells vor einer globalen TV-Audienz zu einem Fanal für die katalanische Sache nutzen könnten.

Mit der aber kann Ligachef Tebas wenig anfangen: er ist bekennender Wähler der rechtspopulistischen Vox-Partei, die seit vergangener Woche die Ausrufung des Ausnahmezustands über Katalonien fordert. In seiner Jugend arbeitete der Anwalt als Funktionär für die neofranquistische Partei Fuerza Nueva. Diese wurde in der Zeit des Übergangs zur Demokratie mit etlichen politischen Morden in Verbindung gebracht. Tebas hat sich von dieser Vergangenheit bis heute nicht distanziert.

Ob er Spanien einen Gefallen tut, ist auch bei seinem jüngsten Vorstoß fraglich. Noch vor einem Jahr konnte sich das Königreich als Hort von Sicherheit inszenieren, indem Madrid das wegen Fanrandale in Buenos Aires abgesagte Copa-Libertadores-Finale zwischen Boca Juniors und River Plate aufnahm. Nun muss es eingestehen, auf dem eigenen Territorium ein so gewaltiges Problem zu haben, dass Fußballspiele infrage stehen. Barça-Trainer Valverde nimmt es inzwischen mit Galgenhumor. Er erklärte: „Es ist ja in Mode, sich bei politischen Themen nicht einigen zu können. Mal schauen, ob wir es zumindest im Sport hinbekommen.“

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