Mietendeckel in Berlin: Entmachtung der Börsianer

Die Steigerung der Mieten in Berlin auf Eis zu legen, ist eine gute Idee. So lässt sich die Spekulation mit dem Wohnraum endlich stoppen.

Die Spitze eines Hochhauses vor strahlend blauem Himmel

Immer höher, immer weiter, immer teurer? Foto: Unsplash/Michał Parzuchowski

Pech für Spekulanten: In Berlin können sie nicht mehr darauf setzen, dass die Immobilienpreise ständig steigen. Dafür sorgt der neue Mietendeckel, den der Berliner Senat am Dienstag beschließen wird. Auf den ersten Blick scheinen Hauspreise und Mieten nichts miteinander zu tun zu haben. Doch das täuscht. Für Spekulanten ist nur eine einzige Kennziffer interessant, egal ob sie mit Aktien oder Immobilien hantieren: Wie hoch ist der Kaufpreis im Verhältnis zur Rendite? Gibt es die berühmte „Luft nach oben“?

Die Mieten bestimmen also, wie stark die Immobilienpreise steigen können. Hauseigentümer setzen daher alles daran, um die Mieten permanent nach oben zu treiben – auf dass die „Fantasie“ der Börsianer geweckt wird und weitere Runden der Spekulation möglich sind. Es entsteht ein Teufelskreis, bei dem die meist vermögenslosen Mieter dafür sorgen sollen, dass Spekulanten und Hausbesitzer noch reicher werden.

Der Berliner Senat interveniert daher an der richtigen Stelle, wenn er künftig vorgibt, wie hoch die Mieten pro Quadratmeter sein dürfen. Die Immobilienkonzerne haben vehement versucht, diesen Mietendeckel zu verhindern. So wurde gern behauptet, dass kein Investor neuen Wohnraum schaffen würde, wenn die Mieten nicht mehr exorbitant steigen dürfen. Doch seltsam: Auch bisher wurde kaum gebaut.

In den vergangenen zehn Jahren wurden in Berlin etwa 140 Milliarden Euro ausgegeben, um bestehende Immobilien zu kaufen. Doch nur maximal 16 Milliarden wurden investiert, um neue Häuser zu bauen. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass durch Spekulation mehr Immobilien entstehen. Gern wurde auch das Argument bemüht, dass der Staat nicht in den Markt eingreifen dürfe. Doch der „Wohnungsmarkt“ ist kein Markt, sondern heißt nur so. Echte Märkte zeichnen sich dadurch aus, dass die Kunden frei wählen können.

Gutes Vorbild für andere Städte

Niemand muss einen VW Golf kaufen. Man kann sich auch für einen Fiat entscheiden oder gleich mit der Bahn fahren. Eine derartige Wahlfreiheit haben Mieter jedoch nicht. Sie müssen irgendwo wohnen – und zwar möglichst nah am Arbeitsplatz. Mieter sind erpressbar und können daher beliebig ausgebeutet werden, sobald Wohnraum knapp wird. In Berlin sind Wohnungen sogar extrem knapp, weil jedes Jahr 40.000 Menschen in die Stadt ziehen. Der Senat muss dafür sorgen, dass neue Häuser entstehen.

Doch das wird dauern. Bis dahin verhindert der Mietendeckel, dass Spekulanten den Wohnungsmangel nutzen, um wehrlose Mieter auszupressen. Dieses Experiment ist einzigartig – und sollte Vorbild für andere Städte sein.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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