Sozialökologische Transformation: Scheiß auf die Kids?

Wie bekommt die gesellschaftliche Bewegung für Klimapolitik schnell eine Bundesregierung, die handelt? Es geht um ein stabiles Zweckbündnis.

Menschen protestieren mit Masken von Merkel und Scholz

Luisa Neubauer bei Fridays-for-Future im September vor dem Kanzleramt Foto: Christoph Soeder/dpa

Seit dem großen Septemberstreik frage ich jeden, den ich treffe: Wie geht es weiter mit der von Fridays for Future (FFF) angestoßenen Bewegung für Klimapolitik, die sich auf breite Teile der Gesellschaft ausgedehnt hat? Hier mein Zwischenergebnis.

Die eine Möglichkeit: Demnächst kracht irgendwo irgendwas, die Mehrheits- und Mediengesellschaft beschäftigt sich damit, und FFF laufen freitags ins Leere.

Die zweite Möglichkeit: Die Politik des „Scheiß auf die Kids“ wird durchgewinkt. Die Mehrheitsgesellschaft arrangiert sich mit der Position der Bundesregierung, dass das absurde Missverhältnis zwischen ihrer mickrigen Klimapostwurfsendung und der krassen Problemstellung das letzte Wort ist. Union und SPD lenken sich unter Assistenz der Hauptstadtjournalisten mit schnarchigen Personalfragen (Scholz und AKK) und internen Intrigen (gegen Scholz und AKK) von den Problemstellungen der Wirklichkeit ab. So gehen die nächsten beiden Jahre verloren.

Die dritte Möglichkeit: FFF sind in die gesellschaftliche DNA eingedrungen. Ernsthafte Bekämpfung der Erderhitzung wird eine Grundbedingung für Regieren, wie es die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit war. Die nächste Bundesregierung wird auf der Grundlage eines Zukunftsplans durch sozialökologische Wirtschaft und europäische Politik gewählt.

SPD, FDP und Linkspartei helfen nicht

Jetzt ist die Frage: Wer will und kann eine Mehrheit dafür gewinnen? SPD, FDP und Linkspartei helfen dabei nicht. Erstens haben sie kaum noch Wähler. Zweitens haben sie (Achtung, Zusammenhang) die soziale und wirtschaftliche Dimension einer sozial­ökologischen Transformation bisher knallhart ignoriert. Die Union leider auch. Und manche dort scheinen zu hoffen, dass die Leute von der Sache ablassen, wenn man sie wieder mit den handelsüblichen Ängsten füttert. Immerhin hat die CDU aber eine Politikerin, die mit einem entsprechenden Wählerauftrag eine überzeugende Klimakanzlerin geben könnte. Angela Merkel.

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Passt mal auf, eines Tages kommt sie in die Bundespressekonferenz und sagt: „Leute, ich mach doch weiter. Wie Winfried Kretschmann ja auch. Jetzt gilt es und deshalb machen wir jetzt zusammen Klimapolitik – und zwar richtig fett.“ Und auf Rückfragen sagt sie: „Die CDU besinnt sich auf ihre Tradition und stellt sich wieder an die Spitze des Fortschritts. Wir managen das sozialökologische Wirtschaftswunder, da werden die Grünen schauen – und die AfD erst recht.“

Jetzt kann man sagen: Träum weiter. Und was hast du nur immer mit dieser Union, die ist doch a priori scheiße? Na ja, das ist ein kulturell-emotional tief verankertes Ressentiment, für das man politische Begründungen findet. Aber jetzt ist Crunchtime, also die entscheidende Phase. Wenn eine gesellschaftliche Mehrheit wirklich Klima­politik will, dann muss sie der machtfixierten Union klarmachen, dass sie die Macht nur mit Klimapolitik behält. Egal, mit welchem Kandidaten.

Die Politik-Illusionsmaschine

Diese Regierung wird nicht den breiten Konsens abbilden, den die Bundesrepublik viele Jahre gepflegt hat. Das wird eine harte Polarisierung zwischen denen, die den Abstand zwischen physikalischer Realität und unserer Politik-Illusionsmaschine verringern wollen – und denen, die das für Bullshit halten, was ich hier behaupte.

Deshalb kann und wird das keine Mehrheit der emanzipatorisch und moralisch tipptopp aufgestellten Ökos sein. Sondern ein gesellschaftliches Bündnis auf Zeit von Bürgern, die in vielen Fragen ganz anders ticken, aber in dieser Frage sagen: Jetzt sofort und diesmal richtig. Wir ziehen das in den Zwanzigern zusammen durch.

Ohne eine Union, die ihre Leute ins klimapolitische Lager holt, wird es keine Mehrheit geben.

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Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried

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