LGBTQ+-Community im Libanon: Eröffnung der Beirut Pride abgesagt

Der Libanon gilt als liberal gegenüber LGBTQ+. Doch die Beirut Pride erfährt Anfeindungen – von Klerikern und auch aus den eigenen Reihen.

viele bunte Bänder, auf denen „Beirut Pride 2019“ steht

Ein Festival ohne öffentlichen Raum Foto: Julia Neumann

BEIRUT taz | Eine Gesprächsrunde über psychische Gesundheit findet am Samstag in Beirut statt. Über eine Mailingliste wird der Treffpunkt erst dreieinhalb Stunden vorher bekanntgegeben. Das Event ist Teil der einwöchigen Beirut Pride, die zur Sichtbarkeit von LGBTQ+ im Libanon beitragen soll.

Doch die Öffentlichkeit zeigt auch Gegenreaktionen, die so stark sind, dass die diesjährige Eröffnungsfeier abgesagt wurde. Die Anfrage, am Sonntag einen Marsch veranstalten zu können, blieb von der Polizei unbeantwortet. Die Pride ist deshalb ein Festival ohne öffentlichen Raum, mit einem kulturellen Programm an verschiedenen Orten, die möglichst lange geheim gehalten werden.

Der Libanon hat in Bezug auf die Rechte von Homosexuellen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen einen toleranten Ruf. Vor elf Jahren gründete sich die gefeierte Pop-Band Mashrou Leila, mit einem offen schwulen Frontmann. Im Juli 2018 entschied ein Militärgericht, dass homosexueller Geschlechtsverkehr nicht widernatürlich und damit legal sei. Ein Präzedenzfall in Bezug auf Artikel 534 im Strafgesetzbuch, ein Relikt aus dem französischen Mandat, der „widernatürliche“ sexuelle Beziehungen verbietet.

Zwar werden Transgender nicht politisch verfolgt, dennoch braucht es eine „starke Persönlichkeit, um die verbale Belästigung auszuhalten“, berichtet Nancy. Sie ist zu dem semi-geheimen Treffen der Pride gekommen, sitzt an einem runden Tisch und erzählt über ihre Schwierigkeiten als Transgender.

„Du wirst der Adressat von Attacken“

Nancy ist 35 Jahre, Make-up Artist, und eine von knapp 90 Transgender im Libanon. „Viele haben das Land verlassen, weil sie krank davon wurden, sich gering geschätzt zu fühlen.“ Auch Nancy möchte mit ihrem Freund zusammen wegziehen. Die libanesische Gesellschaft sei sehr wertend. „Viele Väter, Mütter oder Freunde wollen, dass sie ihr Geschlecht zurück ändern, damit die Leute aufhören zu reden.“

Seit 2017 initiiert Hadi Damien die Pride, um die Herausforderungen sichtbar zu machen, mit denen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Genderidentität konfrontiert sind. „Nur durch Sichtbarkeit kann man die Mythen, Lügen und Vorurteile über LGBTQ+ dekonstruieren.“ Gleichzeitig sei die Frage, bis zu welchem Grad Menschen sich diese Sichtbarkeit leisten könnten. „In dem Moment, in dem du sichtbar bist, nehmen dich die Leute als organisiert wahr und du wirst der Adressat von Attacken.“

Vergangenes Jahr zirkulierte ein gefälschtes Programm der Pride auf Whatsapp, in dem behauptet wurde, die Aktivitäten würden auch Ausschweifungen, Prostitution und Drogen beinhalten. Damien, als Kopf der Beirut Pride, wurde zum Verhör verhaftet. Nach einer Nacht in Haft und trotz des Beweises, dass das Programm ein Fake war, setzte die Staatsanwaltschaft, die geplanten Aktivitäten aus. Sie leitete ein Strafverfahren gegen Damien ein, wegen „Organisation von Veranstaltungen, die zu Ausschweifungen anstacheln“.

Vielfalt sichtbar machen

Dieses Jahr erhielt der Betreiber des Theaters, in dem die Eröffnung gefeiert werden sollte, Gewaltdrohungen. Der ehemalige Großmufti des Libanon forderte, die „Schänder der öffentlichen Moral“ zu „verfolgen“ und der Präsident einer Vereinigung von sunnitischen Familien verurteilte die Pride als „Perversion“. „Es wäre falsch zu sagen, dass alle Muslime sich gegen die Pride äußern, und das heißt auch nicht, dass alle Christen homophil sind“, sagt Damien. „Daher ist es wichtig, dass wir Falschnachrichten adressieren und mit allen kommunizieren, seien es religiöse Menschen, Politiker oder Sicherheitsbeamte.“

Die Kommunikation lief auch in den eigenen Reihen schief. Ein anonymes Schreiben in den sozialen Medien kritisierte die konzentrierte Führung der Pride unter Damien und forderte mehr gemeinschaftliche Events. Damien sagt, der Brief enthalte keine Beweise. Er sieht ihn aber als Chance, „dass Leute verstehen, dass LGBTQ+ keine uniformierte Gruppe ist, sondern eine diverse Gruppe an Leuten mit Unterschieden und Besonderheiten.“ Damien wiederholte seine Einladung an alle, nicht nur teilzunehmen, sondern Beirut Pride zu gestalten“ – damit die Vielfalt der LGBTQ+ im Libanon noch sichtbarer wird.

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