Verzicht auf „fossile“ Werbung: Flüge fliegen raus

Die schwedische Zeitung „Dagens ETC“ will keine Werbeanzeigen mehr für Flugreisen und Verbrenner-Autos annehmen.

Ein Ryanair-Flugzeug im Himmel

Verquere Logik der Medien: In Kommentare die Klimapolitik kritisieren, daneben für Flugreisen werben Foto: Victor Fraile/reuters

OSLO taz | Werbebeilagen für Billigpauschalflugreisen. Anzeigen von Elektrizitätsunternehmen, die Fossilstrom oder von Autofirmen, die Verbrenner produzieren. Online-Annoncen für Luxuskreuzfahrten neben einem Text vom UN-Klimagipfel: Bei der taz findet man das, bei der grün-roten schwedischen Dagens ETC soll es Vergleichbares zukünftig nicht mehr geben. Womit die 2014 gegründete Tageszeitung Vorreiter in Schweden und womöglich auch weltweit ist.

„Wir halten das für eine Glaubwürdigkeitsfrage“, begründet Chefredakteur Andreas Gustavsson den Schritt. Sowohl innerhalb der Redaktion wie seitens der LeserInnen sei die Einsicht gewachsen, dass es nicht funktioniere „sich von einer Branche finanziell abhängig zu machen, die man in Kommentaren und nachrichtlichen Texten als destruktiv verurteilt“. Man werde daher in Zukunft keine Annoncen für fossile Produkte und Dienste mehr akzeptieren: „Alles andere ist Heuchelei.“

Eine Zeitung sei „eine Einheit“, meint Gustavsson, man könne nicht Journalismus und Anzeigengeschäft als zwei voneinander unabhängige Teile ansehen, wie es im Übrigen aber auch die eigene Zeitung in der Vergangenheit getan habe: „Für die Leser ist das eine Kollision.“ Und er hofft, dass auch andere Zeitungen diesem Räsonnement folgen.

„Viele Medien haben ihren Klimajournalismus in letzter Zeit deutlich ausgebaut, teilweise gibt es jetzt eigene Klimaredaktionen, aber man meint auf der Anzeigenseite nichts opfern zu müssen.“ Ganz persönlich habe er gemerkt, dass so etwas gar nicht zusammenpasst, als er kürzlich einen hervorragenden Klimakommentar in der Tageszeitung Dagens Nyheter gelesen habe, während auf der gegenüberliegenden Seite ganzseitig für Flugreisen zu den Malediven geworben worden sei: „Dann wird das ganz einfach falsch.“

Grenzziehung nicht einfach

Nehme man das Jahr 2018 zum Vergleich, würde der jetzige Schritt für Dagens ETC einen Verlust von Anzeigeneinnahmen von 15-20 Prozent bedeuten. Einnahmen, auf die man eigentlich dringend angewiesen sei. Man hoffe aber, dass sich die jetzige Konsequenz sowohl aus der Perspektive der LeserInnen wie der Anzeigenkunden längerfristig auch wirtschaftlich positiv auswirken werde.

Vorhandene wie neue AbonnentInnen würden diesen Verzicht sicher schätzen, erwartet Gustavsson, worauf auch erste Reaktionen in den sozialen Medien hindeuteten: „Die sind konsequent, die opfern etwas.“ Und auch der Anzeigenchef der Zeitung sehe die Möglichkeit für einen neuen Anzeigenmarkt, „wo Firmen, die nicht klimadestruktiv sind, sich sicher sein können, nicht in Nachbarschaft zu Greenwashing oder Flugreisen und Autofirmen zu landen“.

Die genaue Grenzziehung dafür, was „fossile Annoncen“ sind, werde nicht einfach sein, gesteht Gustavsson zu. „Was jetzt schon klar ist, dass alles mit Flugzeugen und fossil angetriebenen Autos rausfällt.“ Auch Greenwashing-Versuche von Unternehmen mit hohem Klimagasausstoß in ihrer Produktion werde man ablehnen. Doch manche Fälle seien vermutlich zweifelhaft und man fordere die LeserInnen ausdrücklich auf, zur Umstellung aktiv beizutragen.

Beispiel könnte Schule machen

Was vor allem für den Online-Auftritt gelte. Bei der in der Medienbranche üblichen Zusammenarbeit mit Agenturen für die Schaltung von Online-Annoncen gebe es bislang nicht die Alternative, Fossilannoncen ganz wegzuschalten. Möglich sei das nur konkret von Fall zu Fall. Würden aber auch andere Medienunternehmen entsprechende Kriterien einführen, wachse der Druck auf diese Agenturen, solche Funktionen zu schaffen.

Aber gibt es überhaupt eine Chance, dass das Beispiel Schule macht? Dagens ETC fragte bei den beiden auflagenstärksten schwedischen Tageszeitungen nach, ob es dort ähnliche Überlegungen gebe. Für Aftonbladet antwortete deren norwegischer Verlag Schibsted, dass allein die geltenden Gesetze für deren Anzeigengeschäft maßgeblich seien: „Wir messen nicht den Klimagasausstoß unserer Kunden.“

Dagens Nyheter, das im Rahmen seiner Leserreisen in diesem Jahr erstmals Bahncharterreisen anbot und damit einen so durchschlagenden Erfolg hatte, dass man das Angebot im kommenden Jahr kräftig ausweitet, zeigte sich offener für eine Debatte. Zwar habe man augenblicklich keine entsprechenden Pläne, aber er verstehe es, dass man es als „Doppelmoral“ ansehen könne, wenn Klimatexte neben Annoncen für Benzinfirmen auftauchten, gestand Redaktionschef Caspar Opitz: „Müssen wir uns anpassen? Ja vermutlich. Aber wir sind uns noch nicht klar darüber, wie genau. Die Frage wird diskutiert.“

Und die schwedische Naturschutzorganisation Naturskyddsföreningen forderte mittlerweile ihre Mitglieder auf: „Ermahnt eure Zeitungen auf Fossilannoncen zu verzichten.“

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