Mögliches Impeachment gegen Trump: Demokraten starten Untersuchung

Nach der Ukraine-Affäre: Die Demokraten leiten im US-Kongress erste Schritte für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump ein.

Nancy Pelosi gibt ein offizielles Statement ab

Im Sommer argumentierte Pelosi noch, dass ein Impeachmentverfahren das Land spalte Foto: ap/Andrew Harnik

NEW YORK taz | Nancy Pelosi hat monatelang gebremst und laviert, als die Basis der Demokratischen Partei sowie linke Abgeordnete nach einer Amtsenthebung von Donald Trump verlangten. Aber am Dienstagnachmittag machte die Sprecherin des Repräsentantenhauses eine radikale Kehrtwende: Sie kündigte den Beginn von förmlichen Untersuchungen für eine Amtsenthebung von Donald Trump an. 14 Monate vor den nächsten Präsidentschaftswahlen warf sie dem US-Präsidenten „Gesetzesbruch“ vor. Zuvor hatte ein Whistleblower aus dem US-Geheimdienst enthüllt, dass Trump den ukrainischen Präsidenten gedrängt habe, Dreck über den potenziellen Gegenkandidaten Joe Biden zu suchen, um Trump zu seiner Wiederwahl in 2020 zu verhelfen.

In den Stunden vor Pelosis Ankündigung hatten Dutzende demokratische Abgeordnete im Repräsentantenhaus erstmals ein „Impeachmentverfahren“ verlangt. Dabei wogen die Argumente von sieben Abgeordneten aus „Swing“-Wahlkreisen besonders schwer. Die sieben, die alle in ihrer ersten Legislaturperiode sind, alle in Bezirken mit starker republikanischer Präsenz gewählt wurden und alle entweder einen militärischen oder geheimdienstlichen Hintergrund haben, wandten sich in der Washington Post gegen eine „eklatante Missachtung des Gesetzes“ durch den US-Präsidenten. Sollten sich die Vorwürfe bei den Untersuchungen des Kongresses bestätigen, hat der Präsident „eine Straftat verübt, die mit Amtsenthebung“ geahndet werden muss, schrieben sie.

Alexandria Ocasio-Cortez vom linken Parteiflügel, die das Zögern und die Angst der Parteiführung vor einem Impeachmentverfahren als „nationalen Skandal“ bezeichnet hatte, reagierte am Dienstag erleichtert. Sie nannte Trumps mutmaßliche Erpressung gegenüber dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski „eine extrem ernste Entwicklung“. Und sagte, dass Trump bereits mehrere Straftaten zugegeben habe, die eine Amtsenthebung rechtfertigten. „Dies ist unser Watergate-Moment“, sagte sie, „wir müssen den Präsidenten zur Verantwortung ziehen.“

Trump reagierte am Dienstag, als er bei der Vollversammlung in New York war, höhnisch: „Die Demokraten wissen, dass sie keine Chance haben, 2020 zu gewinnen. Jetzt schreien sie ‚Amtsenthebung‘.“ Am selben Tag erfand er eine „Task Force“ zu seiner Verteidigung gegen die Anklage und rief zu Spenden auf. Zugleich machte das Weiße Haus zwei Ankündigungen, die das exakte Gegenteil dessen sind, was Trump in den Vortagen gesagt hatte: Das Weiße Haus stimmte der Veröffentlichung des Telefonats mit Selenski zu. Und es erlaubte eine Aussage des Whistleblowers, der die Sache ins Rollen gebracht hat, vor dem Repräsentantenhaus.

Die Liste an Verfehlungen ist lang

Für die DemokratInnen ist ein Impeachmentverfahren gegen Trump eine riskante Entscheidung. Denn sie haben nur die Mehrheit im Repräsentantenhaus, wo die Untersuchungen beginnen. Den Senat hingegen, ohne dessen Zustimmung keine Amtsenthebung möglich ist, kontrollieren die RepublikanerInnen. Sollte sich das Verfahren lange hinziehen, könnte es paradoxerweise dazu führen, dass Trump durch eine Ablehnung seiner Amtsenthebung im Senat gestärkt in den Endspurt der Präsidentschaftswahlen gehen kann.

Doch für jene DemokratInnen, die sich jetzt für die Untersuchungen entschieden haben, wiegen andere Argumente schwerer. Die Abgeordnete Abigail Spanberger aus Virginia erklärte dem TV-Sender PBS: „Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, hat der Präsident einerseits die nationale Sicherheit gefährdet, indem er versucht hat, eine ausländische Einmischung gegen einen Opponenten zu erzwingen. Andererseits hat er sein Amt missbraucht, um sich persönliche Vorteile zu verschaffen.“

Die Parteilinke hatte längst zahlreiche andere Anklagepunkte gegen Trump formuliert. Einige davon basieren auf dem Bericht von Sonderermittler Robert Mueller, der dokumentiert hat, dass Trump unter anderem mit persönlicher Aussageverweigerung und mit Druck auf zahlreiche MitarbeiterInnen versucht hat, die Justiz zu behindern.

Wie viele andere wertete auch Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Warren den Mueller-Bericht als einen Auftrag an den Kongress, ein Impeachmentverfahren gegen Trump einzuleiten. Wer das nicht tut, erklärte sie im Sommer, „macht sich zum Komplizen“. Damals argumentierte Pelosi noch, dass ein Impeachmentverfahren das Land spalte, dass Trump „es nicht wert sei“ und dass es seine Basis mobilisieren würde.

Schon lange vor dem Mueller-Bericht gab es Ansätze für Ermittlungen gegen Trump. Er kam mit einer langen Liste von Skandalen ins Amt. Darunter betrügerische Geschäfte mit einer Universität, die keine war, mit einer Serie von Insolvenzen seiner Kasinos und mit Selbstbedienung aus seiner Stiftung. Dazu kamen Vorwürfe, wegen derer jeder andere Mensch in den USA angeklagt worden wäre. Dazu gehört – und die Liste ist unvollständig –, dass mehr als 20 Frauen ihm sexuelle Belästigung vorwerfen, die bis hin zu Vergewaltigung reicht; dass er die WählerInnen manipuliert hat, indem er einer Pornodarstellerin und einem Model Schweigegeld zahlte, damit sie nicht über ihre Verhältnisse mit ihm auspackten; und dass er politischen OpponentInnen mit Gefängnis und mit Gewalt droht.

Trumps Ablenkungsmanöver

Andere Politiker, die bei geringeren beziehungsweise weniger Fehltritten als Trump erwischt werden, hätten sich vermutlich aus der Politik zurückgezogen. Oder ihre Partei hätte sie dazu gedrängt. Doch im Fall Trump greifen solche Regeln und diese Moral nicht. Er scheint unanfechtbar zu sein. An seiner Basis – bei den evangelikalen ChristInnen und VerteidigerInnen von „traditionellen amerikanischen Werten“ – ist er aus jeder neuen Anfechtung gestärkt hervorgegangen. Und bis Dienstag dieser Woche genoss er den Schutz der Führung der Demokratischen Partei, die ein Impeachmentverfahren gegen ihn verhinderte.

Im Fall der Ukraine hat Trump in den zurückliegenden Tagen seine bewährte Methode benutzt. Zunächst bestritt er alles: von dem Zurückhalten von 400 Millionen Dollar Militärhilfe an die Ukraine bis zu dem Versuch, Selinski zu Untersuchungen über die Geschäfte eines Sohns von Joe Biden in der Ukraine zu drängen. Dann wartete Trump mit täglich neuen, veränderten und widersprüchlichen Versionen auf: Am Sonntag erklärte er, dass er nichts mit dem Einfrieren der Militärhilfe zu tun gehabt habe. Am Montag erklärte er, mit dem Einfrieren der Militärhilfe habe er gegen die Korruption in der Ukraine vorgehen wollen. Am Dienstag erklärte er, dass er die Alliierten der USA (darunter Frankreich und Deutschland) zu einer stärkeren Beteiligung an den Kosten drängen wollte.

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