Nach Anschlag in Halle: Proteste gegen Antisemitismus

Nach dem Anschlag von Halle haben Tausende gegen rechtsextreme Gewalt protestiert. Der Zentralrats-Chef widersprach dem Landesinnenminister.

Eine Demonstrantin mit einer israelischen Flagge wartet auf den Beginn einer Demonstrationgegen Antisemitismus auf der Straße des 17. Juni.

Auf die Straße gegen Hass auf Juden: Demonstrantin mit israelischer Flagge in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Mehr als zehntausend Menschen haben am Wochenende gegen Antisemitismus und rechtsextreme Gewalt protestiert. Allein in Berlin kamen am Sonntagnachmittag mindestens 8.000 Menschen auf dem Bebelplatz zusammen, die Veranstalter der Initiative „Unteilbar“ sprachen von 16.000 Teilnehmern. Sie liefen in einem Trauermarsch zur Neuen Syna­goge im Mitte. Am Nachmittag begann auch in Halle an der Saale eine Kundgebung gegen Antisemitismus. Im Hamburg demonstrierten schon am Samstag rund 1.200 Menschen. In der hessischen Universitätsstadt Marburg gingen rund 3.000 Menschen auf die Straße.

Ein schwerbewaffneter Rechtsextremist hatte am Mittwoch versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen, wo gerade der Gottesdienst zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur stattfand. Nachdem der Versuch an der stabilen und verschlossenen Eingangstür gescheitert war, hatte er vor der Synagoge und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen. Der 27-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Er hat antisemitische und rechtsextremistische Motive bestätigt. Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verlangte eine weitere Stärkung der Sicherheitsbehörden. Der Minister warb für neue Stellen bei Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz sowie neue gesetzliche Auskunftspflichten für soziale Netzwerke wie Facebook: Anbieter sollen verpflichtet werden, Straftaten und auch IP-Adressen mitzuteilen, über die Nutzer identifiziert werden können.

Politiker warfen der AfD vor, sie bereite einen Nährboden für Taten wie in Halle, was die Partei von sich wies. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt riefen nach einer Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner forderte ein Verbot oder Identitären Bewegung. Die Linksfraktion verlangte ein „Anti-Terror-Paket gegen rechts“. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) forderte ein stringenteres Vorgehen von Sicherheits- und Justizbehörden: „Antisemitische Straftaten müssen mit aller Konsequenz verfolgt werden“, sagte sie.

Streit um die Sicherheit

Synagogen und jüdische Einrichtungen werden seit dem Attentat bundesweit stärker von der Polizei bewacht. Das Gotteshaus in Halle war zuvor nur gelegentlich von der Polizei angefahren worden.

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, widersprach Aussagen von Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Es sei unzutreffend, dass die Polizei den Bitten der Jüdischen Gemeinde in der Vergangenheit stets nachgekommen sei, erklärte Schuster am Sonntag.

Es sei irritierend, dass Stahlknecht zu der Bewertung gelange, die Sicherheitsbehörden hätten sich keine Vorwürfe zu machen. „Bei einer derart unkritischen Bewertung muss man sich zwangsläufig die Frage stellen, ob die Bereitschaft besteht, aus begangenen Fehlern Lehren zu ziehen“, so Schuster weiter.

Zuvor hatte bereits der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Halle, Max Privorozki, fehlenden Polizeischutz beklagt. Die Behörden hätten der Gemeinde mehrfach Schutz verweigert, als er konkret darum gebeten habe.

Stahlknecht wies diese Aussagen zurück. Er könne nachweisen, dass man keine Bitte um Schutz ausgeschlagen habe. Auch für den wichtigsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur, am vergangenen Mittwoch habe es vorab keine Bitte um Schutzmaßnahmen gegeben.

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