Unter Verbitterten

Ein Buch, unerfreulich aktuell: Julia Ebner stellt „Radikalisierungsmaschinen“ in Lüneburg vor

Von Alexander Diehl

Ob bei der Berichterstattung über Halle alles richtig läuft, das war in den vergangenen Tagen zurecht nur ein Nebengleis: Ist es ein Affront, wenn traditionelle Medien – also solche, die allen Ernstes noch ums Papier wissen – einen Zusammenhang herstellen zwischen dem Attentäter und der Online-Game-Szene, ihrer Infrastruktur, aber auch Ästhetik? Oder ganz normales Ausleuchten von Zusammenhängen?

Unerfreulich aktuell macht die antisemitische Bluttat einen Termin kommende Woche: In Lüneburg stellt Julia Ebner ihr Buch „Radikalisierungsmaschinen“ vor – Untertitel: „Wie Extremisten die neuen Technologien nutzen und uns manipulieren“ (Suhrkamp, 334 S., 18 Euro; E-Book 15,99 Euro).

Darin lässt die Mitarbeiterin des Londoner Institute for Strategic Dialogue uns teilhaben an ihren Recherchen in dem Milieu, das nun so viel Aufmerksamkeit erfährt: „Ich habe mir fünf unterschiedliche Identitäten zugelegt und bin einem Dutzend technikaffiner extremistischer Gruppen einmal quer durchs ideologische Spektrum beigetreten – Dschihadisten, christlichen Fundamentalisten, weißen Nationalisten, Verschwörungstheoretikern, radikalen Frauenfeinden und Hackern.“

Sicher: Da fehlt allerlei vom „ideologischen Spektrum“. Vielleicht ist der heute so oft reflexhaft bemühte „Linksextremismus“ einfach nicht „technikaffin“? Am Buch nun mangelnde Originalität – oder doch fehlenden Unterhaltungswert? – zu bekritteln: Das bleibt gern der aktuellen Zeit-Literaturbeilage überlassen. Lohnend macht Ebners Zugriff, dass sie, offenbar mit etwas Zeit, nah rangegangen ist: rein in die längst nicht mehr existenten Spielkonsolen-Chatkanäle und die superkonspirativen Ecken des Internets, dahin, wo insbesondere verbitterte Männer „rund um den Globus antiglobalistische Ideologien“ verbreiten und für „ihre antimodernen Visionen“ ausgerechnet „hochmoderne Technik“ nutzen.

Di, 15. 10., 19.30 Uhr, Lüneburg, Heinrich-Heine-Haus