Anschlag in Halle: Wiederbelebte kleine Gemeinde

Schon seit dem Mittelalter leben Juden in Halle an der Saale. Am Mittwoch war Jom Kippur, der Versöhnungstag, ihr höchster Feiertag.

Synagoge und Grabstellen auf dem jüdischen Friedhof in Halle arbstellen

Die Synagoge in der Humboldtstraße in Halle an der Saale Foto: dpa/Jan Woitas

BERLIN taz | „Frieden, Gesundheit, Glück und Masal in der Familie!“, das wünschte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Halle, Max Privorozki, anlässlich des jüdischen Neujahrstags Rosch ha-Schana, der in diesem Jahr auf Ende September fiel. Und weiter: „Möget ihr eingeschrieben werden in das Buch des Lebens für ein gutes Jahr!“

Am Tag des Anschlags vom Mittwoch begingen die Juden in Halle wie auf der ganzen Welt ihren höchsten Feiertag. Jom Kippur, der Versöhnungstag, ist ein strenger Ruhe- und Fastentag. Auch weniger religiös geprägte Juden kommen an diesem Tag in die Synagoge. Es ist der Abschluss von zehn Tagen der Reue und Umkehr. In Israel steht das sonst so quirlige Leben zu Jom Kippur vollständig still, kein Bus und kein Auto bewegt sich und sämtliche Geschäfte bleiben geschlossen.

Die Jüdische Gemeinde zu Halle ist keine große religiöse Gemeinschaft. Sie zählt etwa 550 Mitglieder. Vor allem sind das Juden aus der früheren Sowjetunion und ihre Nachkommen, die in den 1990er Jahren im Rahmen eines Kontingentabkommens das Land verlassen durften und sich in Deutschland ansiedelten.

Deutsche Juden gab es nach dem Holocaust der Nazis kaum mehr in der Saalestadt: Bei der Befreiung 1945 zählten die Behörden ganze 49 Menschen, die sich zum Judentum bekannten, in ihrer Mehrheit waren das aus anderen Staaten Verschleppte. 1947 wurde die Nachkriegsgemeinde gegründet und sechs Jahre später die Synagoge an der Humboldtstraße geweiht.

Seit 1970ern ist das Gemeindeleben wieder erblüht

Das Gebäude war ursprünglich Ende des 19. Jahrhunderts als Feierhalle für den 1869 neu angelegten jüdischen Friedhof errichtet worden und überstand schwer beschädigt Krieg und Naziherrschaft. Die Hauptsynagoge wurde im Novemberpogrom 1938 dagegen von den Nationalsozialisten in Brand gesetzt und 1940 zerstört. Danach konzentrierten die Nazis die Verfolgten in „Judenhäusern“, von denen sie ab Mai 1942 in die Vernichtungslager in Osteuropa deportiert und dort ermordet wurden. Etwa 600 Menschen, rund zwei Drittel der Hallenser Juden, gelang zuvor die rettende Emigration.

Schon seit dem Mittelalter hatten Juden in Halle gelebt, im Spätmittelalter bestand dort – nach Erfurt – die zweitgrößte Gemeinde Mitteldeutschlands. Doch Erzbischof Ernst von Magdeburg zwang 1493 alle Juden zum Verlassen der Region. Erst im 17. Jahrhundert kamen wieder Juden nach Halle.

Im Jahr 1858 konstituierte sich die Synagogengemeinde Halle, 1931 lebten etwa 1.400 Juden in der Industrie- und Handelsstadt. Nach dem Holocaust sank die Zahl der Juden immer weiter ab. In den 1970er Jahren waren es nur noch einige wenige alte Menschen.

Seitdem ist das Gemeindeleben in Halle wieder erblüht. Es existiert der Sportverein Maccabi und der Kulturverein Akzent, ferner ein Förderverein. Zudem hat sich mit der liberalen jüdischen Gemeinde eine zweite Körperschaft mit etwa 300 Mitgliedern gegründet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.