Extinction Rebellion in Berlin: Kein Fortschritt ohne Konflikt

Die UmweltaktivistInnen sind erstaunlich ausdauernd – das verdient Respekt. Aber um richtig Druck zu machen, müssten sie viel provokanter stören.

Hauptsache, entspannt bleiben? Foto: picture alliance/Christoph Soeder/dpa

Respekt! Bereits seit drei Tagen blockieren die KlimaaktivistInnen von Extinction Rebellion Straßen und Plätze Berlins. Sie tun das mit einer Ausdauer und Hartnäckigkeit, die einem Bewunderung abverlangen und die viele etablierte Bewegungsakteure neidisch machen kann. Es sind Hunderte, die schon die zweite Nacht infolge am Großen Stern übernachtet haben, hunderte, die nachts um drei Uhr neue Blockaden errichten. Weder Kälte noch Regen stoppt sie und ein Ende der Proteste ist nicht in Sicht.

Die so junge Bewegung beweist eine erstaunliche Mobilisierungsfähigkeit, viele XR-AktivistInnen sind aus anderen Städten, auch aus dem Ausland, angereist. Sie sind bereit, ihre Komfortzone zu verlassen, sich anzuketten und von der Polizei räumen zu lassen. Dabei gehen sie strategisch klug vor; sie besetzen Plätze, die fotogen sind: der Große Stern, der immer noch mit Bildern der Love Parade verbunden wird oder die Marschallbrücke mit Reichstagsblick. Die kommunizierte Gewaltfreiheit führt dazu, dass die Polizei bislang sehr zurückhaltend reagiert.

Schade! Die groß angekündigte Berlinblockade ist gewissermaßen auch ein Bluff. Die Aktionen schränken weit weniger BerlinerInnen ein, als man angesichts der umfangreichen, mitunter hysterischen Berichterstattung annehmen könnte. XR hat es sich in gewisser Hinsicht bequem gemacht mit der Ortswahl für ihre Blockaden, die nicht auf den größtmöglichen Eingriff setzt – auch das ist ein Grund, warum die Polizei nicht so rigoros räumt, wie man es von anderer Stelle gewohnt ist.

Die 40. Folge des Podcasts Lokalrunde - das Stadtgespräch aus Hamburg und Berlin beschäftigt sich mit dem Zustandekommen und den Ergebnissen des Projekts Mietenwaatch. Die Auswertung von 80.000 Wohnungsangeboten zeigt: Berlin ist für die Mehrheit nicht mehr bezahlbar. Außerdem: Die Klimabewegung Extinction Rebellion blockiert gerade Berlin, aber sie eckt auch an: Warum provoziert sie vor allem linke Aktivisten?

Auch wenn einige Journalisten und Politiker so tun, als wäre mit den XR-Aktionen eine neue Stufe der Radikalität erreicht, die gewählten Mittel sind alles andere als das. Seit jeher nutzen soziale Bewegungen Blockaden als – vom Verfassungsgericht abgesegnetes – politisches Ausdrucksmittel. Alles geht also seinen geregelten Protestgang der Dinge; selbst die zu Alarmismus neigende Polizei spricht nur von einem „mittleren Chaos“.

Angesichts der großen Angst, die die AktivistInnen vor den Auswirkungen des Klimawandels haben und verbreiten, scheint mittleres Chaos aber unangemessen. Wer ankündigt, kritische Punkte zu blockieren, sollte seinen Worten auch Taten folgen lassen. Neuralgische Punkte gibt es genug, von Autobahnen bis zu Flughäfen. Aktionen hier würden den Druck von der symbolischen auf die praktische Ebene erhöhen, würden aber auch deutlich härtere Gegenreaktionen provozieren. Warum aber auch nicht? Ohne Konflikt wird es keine notwendigen Veränderungen geben.

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Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".

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