Für und Wider des EU-Mercosur-Abkommens: Mehr Schaden als Nutzen

Das geplante EU-Abkommen mit den Mercosur-Staaten hilft vor allem deutschen Autoexporteuren und brasilianischen Rinderzüchtern.

Ein Rind neigt den Kopf im brennenden Amazonas

Schon vergessen? Der Amazonas brennt … Foto: Bruno Kelly/reuters

BRÜSSEL taz | Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten sorgt weiter für Wirbel. Nachdem der Deal zunächst wegen der Waldbrände im Amazonas unter Beschuss geraten war, wird nun auch der wirtschaftliche Nutzen infrage gestellt.

Das Abkommen bringe nur minimale wirtschaftliche Gewinne, dafür aber einen rasanten Anstieg der Fleischimporte vor allem aus Brasilien, heißt es in der ersten offiziellen Folgenabschätzung. Sie kommt von der renommierten London School of Economics und sorgt für Ernüchterung in Brüssel.

In der EU würde das Bruttoinlandsprodukt nach Schätzungen der britischen Experten um lediglich 0,1 Prozent steigen. Auch die globalen Handelsflüsse würden sich kaum verändern. Dies dürfte vor allem die EU-Kommission enttäuschen. Sie wirbt für den Deal mit dem Argument, die EU werde dadurch zum Vorreiter für den freien Welthandel.

Auch die Wirkung auf das Klima halten die Experten für „vernachlässigbar“. Die CO2-Emissionen würden bis 2032 in der EU um lediglich 0,03 bis 0,05 Prozent steigen, in Brasilien um bis zu 0,18 und in Argentinien um bis zu 0,7 Prozent. Eine Verbesserung ist das nicht – aber auch nicht der von Kritikern oft behauptete Klima-Killer.

Mehr Rindfleisch aus Brasilien und Argentinien

Spürbare Folgen hätte das Abkommen dagegen für den Maschinenbau und die (vorwiegend deutschen) Autohersteller sowie für die brasilianischen und argentinischen Fleischproduzenten. Insgesamt würde die EU 30 bis 64 Prozent mehr Rindfleisch aus den Mercosur-Staaten einführen – und 37 bis 79 Prozent mehr anderes Fleisch.

Unter dem Strich würde die EU von dem Abkommen dennoch mehr profitieren als die südamerikanischen Staaten, heißt es in der Studie. Dies ist allerdings vor allem auf das größere (absolute) Handelsvolumen zurückzuführen. Relativ zur Größe der Volkswirtschaft hätten dagegen die Mercosur-Staaten mehr Vorteile – wenn auch nicht sehr große.

Garantien für den Klimaschutz fehlen

Reicht das, um die Nachteile – etwa durch zunehmende Brandrodung – auszugleichen? Das Europaparlament ist davon nicht überzeugt. Die Studie blende völlig aus, „dass die Schwächung der Umweltbehörden und Kontrollen durch die neue brasilianischen Regierung zu mehr Entwaldung führt“, kritisiert die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini. Dies werde zu mehr Treibhausgasemissionen führen.

Auch der Vorsitzende des Handelsausschusses, der SPD-Politiker Bernd Lange, lehnt den Deal in der gegenwärtigen Form ab. Das Abkommen sei „nicht unterschriftsreif“, weil Garantien für den Klimaschutz und Sanktionen fehlten. Lange will den Text, der derzeit von Juristen geprüft wird, noch einmal aufschnüren, um beim Klima und bei den Arbeitnehmerrechten nachzubessern.

Deutschland drückt aufs Tempo

Rückendeckung bekommen die Kritiker im Europaparlament aus Frankreich. „Wir können kein Handelsabkommen mit einem Land unterzeichnen, das den Amazonas-Regenwald nicht respektiert, das das Pariser Klima-Abkommen nicht respektiert“, sagte die französische Umweltministerin Elisabeth Borne mit Blick auf Brasilien.

Demgegenüber drückt Deutschland aufs Tempo. Das Mercosur-Abkommen biete allen Beteiligten wirtschaftliche Perspektiven und enthalte zugleich ein „ambitioniertes Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung mit verbindlichen Regeln zu Arbeit, Umwelt und Klima“, lobte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bei der Eröffnung der Lateinamerika-Konferenz in Frankfurt.

Damit das Abkommen in Kraft treten kann, müssen alle EU-Staaten zustimmen. Neben Frankreich haben auch Irland, Finnland und Luxemburg Bedenken und Vorbehalte. Auch das Europaparlament muss noch einwilligen.

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