Neue Bäume für die NSU-Opfer

Unbekannte zerstörten in Zwickau Gedenkorte für ein Opfer rechten Terrors. Jetzt hält die Zivilgesellschaft gegen

Zeichen gegen den Hass: der Ort, an dem der Gedenkbaum stand, bevor er abgesägt wurde Foto: Ralph Koehler/propicture

Von Pia Stendera

Das Aufsehen war groß, als Unbekannte am 3. Oktober in Zwickau eine junge Eiche absägten, die dem ersten NSU-Mordopfer, Enver Şimşek, gedenken sollte. Schon kurz darauf gründete ein Thüringer eine Petition, die von der Stadt gleich 1.000 neue Bäume als Antwort fordert. Die Stadt Zwickau tut sich mit dem Label als NSU-Stadt bekanntlich schwer und hatte sich vorerst zurückgehalten.

Zurückhaltend war ja bereits die Entscheidung der Stadt, die Eiche am 8. September still und heimlich zu pflanzen. Vermutlich der Grund dafür: Schon früher waren Symbol-Bäume in Zwickau angegriffen worden. Bereits im September 2015 hatten Unbekannte versucht, einen Ahorn im Muldeparadies zu zerstören. Der war von Migrant*innen gepflanzt worden, um zu zeigen, dass in Zwickau Vielfalt wachsen kann. Als der Baum wieder austrieb, wiederholte sich die Tat. Seinerzeit deutete einiges auf Täter*innen aus dem Umfeld der rechtsradikalen Identitären Bewegung hin.

Eine Gedenkbank, die ortsansässige Künstler*innen als Reaktion auf die Baumfällung am vergangenen Freitag aufgestellt hatten, wurde in der Nacht von Samstag auf Sonntag ebenfalls zerstört.

Nach dem Wochenende dann, am 7. Oktober, tat sich auf einmal auch auf offizieller Seite etwas. Die Stadt gab am frühen Nachmittag bekannt, ein Spendenkonto eröffnet zu haben, für neue Bäume. Plural. Zudem fanden sich 120 Schüler*innen aus Zwickau in der Mittagspause spontan mit Blumen zur Schweigeminute an dem Baum ein, um zu zeigen „dass wir auf dieses Image unserer Stadt keinen Bock haben“, wie es auf Twitter heißt. Die Jugendlichen sehen im NSU keine Einzeltäter*innen. Bis heute existiere ein Netzwerk von Sympathisant*innen.

Auch Barbara John, die 2011 von der Bundesregierung als Ombudsfrau für NSU Opfer eingesetzt wurde, erkannte in den aktuellen Vorfällen ein Indiz für ein Netzwerk, das die Taten des NSU gutheißt, wie sie gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte.

Rechtes Gedankengut findet sich in Zwickau jedoch nicht nur innerhalb rechtsextremer Organisationen, sondern auch ganz offensichtlich auf der Straße. Die Lokalpresse berichtete in den vergangenen Tagen von Passant*innen, die ihren Hund gegen den Rest des Baumes pinkeln ließen oder hämisch bedauerten, dass es nicht mehr Bäume zum absägen gebe.

Für die jungen Menschen aus Zwickau funktioniert eine Abgrenzung von solchem Rassismus und insbesondere den Taten des NSU nur mit aktivem Protest, wie sie es selbst vorgemacht haben – nicht durch Schweigen, wie es die Stadt vorhergehend versuchte. Die Schüler*innen gedenken kollektiv, laut und sichtbar. Nun deutet alles darauf hin, dass Stadt und Zivilgesellschaft gemeinsam neue Bäume pflanzen werden.