Geburtstag des Moulin Rouge in Paris: Alles Liebe

Am Sonntag feierte das Cabaret Moulin Rouge seinen 130. Geburtstag. Noch immer geht es dort munter, wenn auch inzwischen traditionsvergessen zu.

Tänzerinnen in bäuerlichen, blau-weiß-roten Kleidchen

Die Geburtstagfeier am 6. Oktober vor dem Moulin Rouge, das es seit nun schon 130 Jahren gibt Foto: Philippe Wojazer/reuters

Am vergangenen Sonntagabend wurde das Moulin Rouge, das berühmte Pariser Cabaret, von dem einst sehr viele, heute aber wahrscheinlich nur noch ein paar nostalgische Amerikaner träumen, hundertdreißig Jahre alt. Und wie sich das bei hundertdreißig Jahren Beinschwingen, Singen, Tanzen, Po- und Brüste-Zeigen gehört, wurde dieses Datum gefeiert: mit noch mehr Beinschwingen, Singen, Tanzen, Po- und Brüste-Zeigen.

Gemeinsam mit einer Freundin beschlossen wir, uns das Spektakel aus der Nähe anzusehen. Wer sitzt heute wohl auf den Plätzen von Toulouse-Lautrec und Co? Wer steht statt der legendären Mistinguette auf der Bühne? Wir wollten ein bisschen über den Anachronismus der Veranstaltung lachen und vielleicht, wer weiß, auch ein wenig bezaubert sein von dem Glitzer, dem Glamour, dem Champagner und den Federn, die man in diesem Ort vermutet.

Als Kind war ich von dieser Welt begeistert. Während man in Deutschland an Silvester jedes Jahr „Dinner for One“ zeigt, sah man in Frankreich, um die Stunden bis Mitternacht totzuschlagen, eine Live-Übertragung der Silvester-Revuen des Lido oder des Crazy Horse. Ich saß jedes Mal gebannt vor dem Fernseher, fasziniert von diesen Frauen, die auf mich schön und frei und irgendwie mächtig wirkten in ihrer stolzen Nacktheit, mit ihrem offensichtlichen Spaß an der Sache, ihrer Eleganz.

Der Wunsch Lido-Tänzerin zu werden

Einmal äußerte ich sogar den Wunsch, Lido-Tänzerin zu werden, woraufhin meine Großmutter, die es offenbar normal fand, dass ein kleines Mädchen nackte Frauen im Fernsehen bestaunt, aber nicht, dass sie eine von ihnen sein will, entsetzt aufschrie und diese potenzielle Karriere vorzeitig beendete.

Wie auch immer. Wir, oder besser gesagt ich, erwartete einen Funken dieses alten Zaubers. Nur ist der, so schien es zumindest am Sonntag, mit der Naivität der Kinderaugen verloren gegangen. Es begann um 20 Uhr, jener Zeit, zu der das Moulin Rouge 1889 zum allerersten Mal seine Türen öffnete, zunächst für alle Pariser: auf der Straße.

Die Fassade und die kleine rote Mühle auf dem Dach des Hauses waren hell erleuchtet, eine riesige Menschentraube umzingelte den Eingang, als plötzlich Dutzende Tänzerinnen kreischend nach draußen hüpften und mit ihren blau-weiß-roten Röcken zu wedeln begannen. Es folgte ein etwas holpriger French Cancan, die Masse jubelte, die Tänzerinnen quietschten, über dem Moulin Rouge knallte ein Feuerwerk in den Himmel, bis dahin war alles amüsant und schön.

Mehr Zirkus als irgendwie erotisch geartete Veranstaltung

Im Inneren saßen dann die Amerikaner um kleine Tische mit roten Leuchten und tranken vorweg viel Champagner. Unsere Tischnachbarin erzählte ganz aufgeregt, es sei ihr Kindertraum, hierher zu kommen, als der rot glitzernde Vorhang hochging und die eigentliche Show begann. Die hat mehr von einem Zirkus als von einer irgendwie erotisch gearteten Veranstaltung.

Man kann getrost mit seinen Kindern kommen, denn wirklich nackt ist hier sowieso so gut wie niemand. Die Frauen sind so androgyn, dass man manchmal nicht sicher ist, ob es wirklich welche sind, von den Männern sieht man genau ein einziges Mal eine Brust. Es treten Clowns auf, ein Jongleur, eine Akrobatin im Stil des Cirque du Soleil und ein Paar auf Rollschuhen.

Einmal springt eine Frau in ein Becken voller Schlangen, nur interessieren sich die kein bisschen für diesen komischen Gast, weshalb sie sich die armen Tiere selbst um den Körper wickeln muss. Das Ganze, das einem Disney-Film gleicht, wird aber immer wieder mit „Danse, danse! Paris danse!“ befeuert.

Ein bisschen mehr Tradition könnte es schon sein

Nur ganz am Ende kommt ein Part, der noch am ehesten an die alte Revue-Tradition des Hauses anknüpft: mit viel rosafarbenem Plüsch, einem riesigen Tänzerinnen-Ensemble und schummrigem Licht. Altmodisch, verstaubt oder von gestern, also so, wie man es bei einer hundertdreißigjährigen Dame erwarten könnte, ist hier nichts. Bei all dem Pochen auf die Tradition, Paris, die Nostalgie, dürfte es das ruhig ein bisschen mehr sein. Trotzdem: Alles liebe zum Geburtstag, liebes Moulin Rouge.

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