Ausstellung zur Waffenlobby in Berlin: Die Werbewelt des Waffenhandels

Die Ausstellung „Up in Arms“ lenkt die Aufmerksamkeit dorthin, wo mitten im Frieden Waffen gebaut werden, die anderswo Unheil anrichten.

Mit schnellem Strich gezeichnet sieht man zwei Anzugträger mit Sektgläsern, hinter ihnen die Umrisse eines Panzers.

Jill Gibbon zeichnet, wie Waffendealer die Reste ihres Gewissens im Alkohol ertränken Foto: Neue Gesellschaft für Bildende Kunst

Regina José Galindo läuft vor einem Panzer davon. Das stählerne Gefährt, ein Leopard 2 aus deutscher Produktion mit einem Gewicht von etwa 60 Tonnen und einer Armierung von 80 cm, folgt unerbittlich der schmächtig wirkenden Frau, die bis an den Rand ihrer Erschöpfung zu laufen scheint. Die Arbeit, genannt „Der Schatten“, war eine der besseren der documenta 2017. Jetzt ist sie schon von Weitem zu sehen, wenn man die Ausstellung „Up in Arms“ im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien betritt.

„Up in Arms“ nimmt nicht den Krieg in den Blick, auch nicht die Konfliktzonen, die als visuelle Oberflächenreize in den Nachrichtensendungen für Konsumentenbindung sorgen. Die Ausstellung blickt tiefer. Denn sie lenkt die Aufmerksamkeit zurück in die Heimat, dorthin, wo mitten im Frieden die Waffen gebaut werden, die anderswo Unheil anrichten, die Menschen töten und ganze Gesellschaften zerstören. Die Profite daraus fließen natürlich auch hierher zurück. Auf die Konten der Manager und der Aktionäre, aber auch in die Krankenkassen.

2018 war Deutschland laut der Datenbank des Friedensinstituts Sipri der viertgrößte Waffenexporteur weltweit hinter den USA, Russland und Frankreich, aber noch vor klassischen Waffenlieferanten wie Großbritannien, Israel oder China und für etwa 4,6 Prozent des globalen Waffenhandels verantwortlich. So wurde unter anderem ein U-Boot-Deal mit Ägypten und der Türkei abgeschlossen, Panzer gingen nach Ungarn, selbst wenn die dortige Regierung gern als europäischer Lieblingsfeind Nr. 1 gebrandmarkt wird. Nach Katar gingen ebenfalls Panzer. Saudi-Arabien, im Jemenkonflikt Kriegspartei, erhielt Helikopter, und Venezuela, in der offiziellen Politik auch so ein „Schurkenstaat“, durfte sich über Dieselmotoren für Patrouillenboote freuen. Das Sipri erfasst in seiner Statistik noch nicht einmal Kleinkaliberwaffen oder Munition; nur größeres Gerät und Zubehör werden gezählt.

Die Ausstellung Up in Arms läuft bis 15.12. in Berlin, Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, Mariannenplatz 2, täglich 11–20 Uhr.

Weitere Informationen, auch zum Rahmenprogramm unter http://www.kunstraumkreuzberg.de/programm.html

Es ist eine Branche, die im Stillen agiert. Umso verdienstvoller ist diese Ausstellung, die die nGbK-Projektgruppe um Ayşe Güngör, Cassandra Mehlhorn, Gabriela Seith, Amalie Sølling-Jørgensen und Johanna Werner konzipierte. Über ein Jahr lang recherchierten die Kuratorinnen künstlerische Positionen zum Thema und erarbeiteten auch ein Rahmenprogramm mit Diskussionen, Filmscreenings und Performances sowie Stadtführungen zu Standorten der Rüstungsindustrie und deren Lobbyorganisationen in Berlin.

Kleine Giveaways der Waffenmessen

In die Werbewelt des Waffenhandels ist die britische Künstlerin Jill Gibbon eingedrungen. Sie gründete Fake-Unternehmen und fand so als Messebesucherin Zugang zu einigen der größten Waffenmessen. Sie brachte von dort Giveaways der Industrie mit – kleine Panzer, aber auch Kondome, mit denen Anbieter von Sicherheitstechnologie warben, oder tiefschwarze Bonbons, mit denen Testgeländebetreiber den Aufenthalt in ihren staatlich geprüften Bal­lerzonen versüßen wollten.

Gibbon, eine versierte Zeichnerin, hielt mit schwarzem Stift auf weißem Papier Szenen fest, in denen Waffendealer ihre möglicherweise letzten Reste von Gewissensbissen im Alkoholrausch ertränkten, oder weibliche Hostessen, die im Job zuvor vielleicht Kaschmirpullover oder Menüs von Starköchen präsentierten, nun Flugabwehrwaffen und ähnliches Gerät in den Händen halten. Gibbon, die zehn Jahre lang diese Messen besuchte, hat auch beobachtet, dass immer mehr Frauen als Führungskräfte in dieser Branche auftreten. „Das hat mir den Zugang auch erleichtert“, erzählte Gibbon, die sich ebenfalls als Führungskraft ausgab, der taz in der Ausstellung.

Vanessa Gravenor, selbst während der Pariser Attentate 2015 von einem der Täter angeschossen, versucht das Projektil, das sie traf, und die Waffe, aus der sie abgefeuert wurde, in einer Videoarbeit bis in die Ursprünge zurückzuverfolgen. Die Waffe wurde wahrscheinlich in den 1960er Jahren erstmals zusammengesetzt. Zahl der Opfer dieses Geräts: unbekannt.

Der niederländische Künstler Dani Ploeger hat eine Installation aus Nato-Draht und den Werbebotschaften eines der weltweit wichtigsten Anbieters dafür gefertigt. Je mehr Menschen aus Kriegsgebieten nach Europa zu flüchten versuchen, desto mehr steigt der Umsatz der Firma: Waffenhandel zweiter Ordnung.

Die Ausstellung bietet aber auch optimistische Ausblicke. Der irakische Künstler Hiwa K. ist mit dem „Bell Project“ vertreten. Er dokumentiert, wie ein Metallsammler aus dem Irak Überreste von Kriegsgerät nach Italien bringen lässt, um sie dort zu einer Glocke gießen zu lassen – die Transformation von Tod in Klang.

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