Hongkong nach dem Vermummungsverbot: Mit Masken gegen das Maskenverbot

Die Honkonger lassen sich weder das Maskieren noch das Demonstrieren verbieten. Zugleich eskaliert die Gewalt weiter.

Ein Demonstrant trägt zwei Masken

Demonstrant gegen das Vermummungsverbot im Shoppingviertel Causeway Bay am Sonntag Foto: Jorge Silva/reuters

BERLIN taz | Bei strömendem Regen sind am Sonntag in Hongkong Zehntausende überwiegend maskierte Demonstranten erneut gegen das am Freitag von der Regierung erlassene Vermummungsverbot auf die Straße gegangen. Die Proteste waren zuvor verboten worden.

Zunächst kam es nur zu vereinzelten Tränengas- und Schlagstockeinsätzen der Polizei. Erst später eskalierte die Gewalt wie bereits in den letzten Vortagen. Demonstranten bauten Barrikaden und fluteten den U-Bahnhof Mong Kok per Sprinkleranlage. Ein Taxifahrer wurde nach einem Unfall bewusstlos geschlagen, und ein Kameramann erlitt Verbrennungen, nachdem ihn ein auf die Polizei geschleuderter Bandsatz gestreift hatte.

Laut der englischsprachigen South China Morning Post wurden mindestens 13 Personen festgenommen, weil sie sich mit Atemschutz- oder Gasmasken vermummt hatten. Darauf stehen jetzt bis zu zwölf Monate Haft und eine Geldstrafe von umgerechnet bis zu 2.900 Euro. Auch würden sie wegen Verstoßes gegen das Versammlungsverbots angeklagt.

Schon am Freitag hatte das erst unmittelbar zuvor per Dekret erlassene Vermummungsverbot, das um Samstag null Uhr in Kraft trat, für eine Eskalation der Gewalt gesorgt. Militante Demonstranten griffen Regierungsgebäude sowie Geschäfte prochinesischer Firmen an. Auch Brände wurden gelegt. Ein Polizist schoss einen 14-jährigen Demonstranten an.

Zahlreiche Brände, erste Panikkäufe

Weil Bahnhöfe angezündet oder demoliert worden waren, war am Samstag erstmals der gesamte U-Bahn-Betrieb in der Stadt mit mehr als sieben Millionen Einwohnern eingestellt worden. Viele Shoppingcenter und Geschäfte blieben geschlossen. Es kam zu Panikkäufen. Auch Demonstranten müssen jetzt lange Fußmärsche in Kauf nehmen, um sich zu versammeln.

Die ausufernde Gewalt der Demonstranten liefert zum einen der Regierung den Vorwand, stärker repressiv zu reagieren, zum anderen wächst der Druck auf die Regierung, den Forderungen nachzugeben. Die Frage ist, wo die Gewalt hinführen soll. Umgekehrt stellt sich manchmal die Frage, ob nicht hinter der zunehmend blinden Gewalt auch womöglich Provokateure stecken, die den Boden für eine massive Repression bereiten wollen. Das einst sehr friedliche Hongkong ist jedenfalls inzwischen kaum noch wiederzuerkennen.

Am Sonntag wies ein Hongkonger Gericht den Antrag von Anwälten aus der Demokratiebewegung auf eine einstweilige Verfügung gegen das Vermummungsverbot zurück. Das Gericht erklärte jedoch, dass das Dekret noch einer grundsätzlichen Überprüfung bedürfe. Dies werde noch im Oktober erfolgen.

Das Vermummungsverbot ist Teil einer Notverordnung von 1922. Damit schlug die britische Kolonialmacht damals einen Streik von Seeleuten nieder. Das Gesetz wurde nur noch ein weiteres Mal angewendet: 1967 bei einem maoistischen Aufstand parallel zur chinesischen Kulturevolution. Jetzt halten die Kläger die Notverordnung für verfassungswidrig.

Auch hätte nur das Parlament die Verordnung in Kraft setzen können, nicht aber die pekingtreue Regierung im Alleingang. Allerdings haben im nicht demokratisch gewählten Legislativrat pekingfreundliche Abgeordnete eine Mehrheit.

Vorbote für noch mehr Repression?

Viele Hongkonger halten das Vermummungsverbot für kaum durchsetzbar, sie werten es vor allem als einschüchternde Maßnahme, um Bürger vom Protestieren abzuhalten, sowie als Vorboten weiterreichender Einschränkungen der Bürgerrechte wie etwa eine Ausgangssperre oder Pressezensur.

Statt wie von den Demonstranten seit Monaten gefordert die demokratischen und autonomen Rechte in Hongkong zu erweitern, sehen viele hinter diesen Einschränkungen die unnachgiebige chinesische Regierung, zumal die Vermummung auch vor Vergeltungen Chinas schützen soll. Erstmals versammelten sich am Sonntag vor einer Hongkonger Kaserne der chinesischen Armee Demonstranten, die von dort gefilmt wurden.

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