Jan-Paul Koopmann
Popmusik und Eigensinn
: Traurig am Kamin

Foto: privat

Wenn man alt wird, hieß es früher, teilt sich die Welt irgendwann restlos auf in entweder Jazz- oder Klassikhörer*innen. Dieses Bild ist heute lustig, weil entgegen aller Wahrscheinlich überhaupt niemand erwachsen geworden ist und man auch im hohen Alter (um die 40) weiter Krawallmusik hören kann, ohne darum scheel angeglotzt zu werden. Umso erstaunter war ich dann kürzlich beim pflichtschuldigen Nachholen von Konstantin Weckers letzten Platten – weil ich ausgerechnet dafür dann doch zu alt geworden bin.

Ich kenne überhaupt kaum jemanden (außer Hannes Wader natürlich), der so ungebrochen identisch ist mit der Idee vom Altern an sich. Ehrlich gesagt hat mir gerade das so imponiert: dieses gütige Besserwissen, die wohldosierte Wut, und ganz besonders dieses weit über Freiligrath hinausschmetternde „Trotz alledem!“ Wenn Revolution ist, dachte ich, dann werden diese Dichter schon kommen, und den halbgesoffenen Rotwein am Kamin stehen lassen. Heute redet eigentlich nur noch Konstantin Wecker von Revolution: „Was wir wollen ist kein Reförmchen und kein höherer Lohn/Was wir wollen ist eine/Revolution“, singt er zweimal und alle jubeln. Das ist kein Hängenbleiben und auch nichts Gestriges – inhaltlich hat er ja recht – und Wecker macht ja auch ganz viele neue Sachen. Er ist ein echter Tausendsassa der Formate geworden: Gerade ist er als Trio auf Tour, spielt fast gleichzeitig mit der Bayrischen Philharmonie zum „Weltbrand“ auf oder macht so ein „Utopia“-Projekt. Und dann ist er auch allein unterwegs (manchmal als „Solo zu zweit“), wie jetzt eben in Worpswede.

Da wird er wohl auch „An meine Kinder“ singen, wo er grundsympathisch von der Erzieherei Abstand nimmt und routiniert schwülstig übers Klavier trällert, er habe es nicht so mit der Moral: „Kinder sind schuldlos, haltet sie frei/Vom Moralismusgetöse“. Verkneifen kann er sich das aber nur ein paar Strophen, bis es heißt: „Egal was sie dir versprechen, mein Kind/Trag nie eine Uniform“. Traurig und wütend zu sein, dafür gibt es mehr als genug Gründe. Aber auch wenn das ein bisschen nach so einem K-Gruppen-Arschloch klingt: In der Romantik steckt ein leeres Versprechen vom Feldherrenhügel. Der wird nicht zu den Barrikaden kommen, weil sie keiner baut. Und um so wehmütig zurück zu gucken auf vertane Chancen und den Schwung, den es nie gab – dafür bin ich eben erstaunlicherweise doch zu alt.

10. und 11. 10., 20 Uhr, Music Hall Worpswede