„So leicht wie nie“

INTERVIEW CHRISTIAN FÜLLER
UND ALEXANDER ROSS

taz: Herr Reich, was hat die KfW-Förderbank bewogen, ein Rundum-Sorglos-Paket für eine privilegierte Gruppe wie Studierende zu schnüren?

Hans Reich: Weil wir viel zu wenig von ihnen haben.

Pardon, in Deutschland studieren zwei Millionen Menschen!

Für eine Industrienation wie Deutschland reicht das vorne und hinten nicht. Die Deutschen werden immer älter und immer weniger, manche Forscher sagen: immer weniger gebildet. Wir verlagern immer mehr Facharbeitsplätze ins Ausland, ohne etwas Adäquates an ihre Stelle zu setzen.

Klingt nach Katastrophe.

Die soziale Balance der Studierendenschaft stimmt nicht mehr. 81 Prozent der Kinder aus einkommensstarken Familien studieren – aber nur 9 Prozent aus sozial schwächeren Elternhäusern. Das kann sich dieses Land einfach nicht leisten. Deswegen bieten wir voraussichtlich ab Sommersemester 2006 einen flächendeckenden, sehr einfachen Studienkredit an.

Was bedeutet das?

Bei uns verfügt der Studierende selbst über seinen Kredit. Er erhält bis zu 650 Euro pro Monat zu einem sehr günstigen Zinssatz von derzeit rund 5 Prozent. Allein der Student entscheidet, ob er die volle Förderung will. Ob er sie von Studienbeginn an oder nur für die Examensphase in Anspruch nimmt.

Und ganz nebenbei erschließen sie sich ein lukratives Geschäftsfeld!

Nein, wir wollen mit dem Studenten keine Geschäfte machen. Wir sind eine Förderbank. Wir streben nicht Gewinnmaximierung an, sondern haben einen gesellschaftspolitischen Auftrag. Es ist unsere Aufgabe, den schlecht finanzierten Studierenden zu helfen.

Aber es gibt doch das Bafög.

Das Bafög erreicht gerade mal ein Viertel der Studierenden. Das heißt, es verfehlt wesentliche Teile der Studierendenschaft. Unser Studienkredit erreicht seine Ziele besser – und unkomplizierter. Wir fragen nicht nach Elternhaus oder Vermögen der Studierenden.

Aber Ihr Kredit kommt teuer. Nach dem Examen drohen bis zu 100.000 Euro Schulden. Laut Befragungen verstärkt das die Unsicherheit von Abiturienten, ein Studium aufzunehmen.

Diese Zahl stammt nicht von uns, und sie ist bei den Konditionen des Kredits auch vollkommen unrealistisch. Selbst ein extrem langsam zurückzahlender Student kann schwerlich auf eine Belastung von 100.000 Euro kommen. Das Darlehen ist ein Angebot, kein Zwang, schneller zu studieren.

Warum haben dann die Banken so viel Krach geschlagen? Vermasseln Sie denen ein gutes Geschäft?

Zunächst muss man feststellen, dass die Banken und Sparkassen über Jahrzehnte keine Studienkredite hatten. Bis heute gibt es kein breites Angebot – so etwas nenne ich Marktversagen. Entscheidend ist aber, dass mein Haus gar keine Konkurrenz für die Banken ist – weil wir den Kredit nicht direkt an den Studierenden aushändigen.

Woher kommt das Geld dann?

Von uns. Aber wir führen wir lediglich das Darlehenskonto. Das Guthabenkonto, von dem der Student sein Geld abhebt, liegt bei unseren Vertriebspartnern, das sollen die Banken und Sparkassen sein. Das heißt: Wir tragen die Risiken, die Banken führen die Konten.

Verdienen Sie überhaupt noch etwas bei diesem Geschäft?

Klar ist: Das Produkt ist ein reines Fördergeschäft, mit dem wir kein Geld verdienen wollen. Nach unserer Kalkulation kann etwa jeder 7. Kreditnehmer bei der Rückzahlung ausfallen, ohne dass es ein Verlustgeschäft wird.

Für Studierwillige klingt das wie ein Horrorszenario: Zur Immatrikulation gehe ich nicht mehr in die Uni, sondern zur Sparkasse.

Sie müssen beides machen, sich erst einschreiben – und dann ein Konto eröffnen. Aber die Bank wird ihnen keinerlei Vorschriften fürs Studium machen.

Herr Reich, jeder Kreditbearbeiter arbeitet mit Bonitäten und Ratings. Er wird den Wirtschaftsingenieur einer Eliteuni anders behandeln als die Sozialpädagogin aus der Provinz.

Nein. In welche Erklärungsnöte kämen wir denn, wenn wir forderten, der Sozialpädagoge solle mehr Zinsen als der BWLer zahlen, weil Sozialarbeiter später schlechter bezahlt werden! Das will und kann eine öffentliche Förderbank wie die KfW nicht tun. Im Übrigen ist das ja auch nicht seriös vorhersagbar.

Und mit wem verhandelt der Student dann über den Kredit?

Es gibt nichts zu verhandeln, nur zu beantragen – und das bei der KfW.

Wie, die Studierenden sollen nach Frankfurt in die KfW-Zentrale fahren?

Nicht nötig, läuft alles über Internet …

indem ich als Student eine E-Mail schreibe: „Lieber Herr Reich, erbitte 650 Euro monatlich fürs Studium.“

So ähnlich. Sie weisen sich zunächst bei Ihrer Bank als real existierender Student aus. Dann bekommen Sie ein Konto und eine personenbezogene Identifikationsnummer, eine PIN. Den Rest regeln die Studenten über das Internetportal der KfW. Zum Beispiel können sie halbjährlich neu festsetzen, wie hoch der Studienkredit monatlich sein soll. Der Studierende legt sogar fest, wie er zurückzahlen will. Wenn er nach dem Studium arbeitslos ist, muss er gar nicht zurückzahlen. So leicht war Studienfinanzierung noch nie.

Trotzdem waren die Studierenden zu Recht sauer. Weil Sie Ihren Kredit auf dem Höhepunkt der Debatte um Studiengebühren vorgestellt haben.

Studiengebühren sind nicht unser Thema. Wir kümmern uns nur um die Lebenshaltungskosten der Studierenden.

Klingt wenig überzeugend. Von Ihrem Studienkredit lassen sich Studiengebühren doch spielend finanzieren.

Dafür haben wir das nicht geplant. Aber es ist richtig, dass der Studienkredit ausgebaut werden könnte. Das liegt allein in der Verantwortung der Bundesländer. Das heißt: Wir sind gerne bereit, den Höchstbetrag von 650 Euro um die Studiengebühr zu erhöhen. Nur müssen dafür die Länder haften, nicht die KfW.

Haben sich Länder wie Nordrhein-Westfalen oder Hamburg schon an Sie gewandt – die wollen die Gebühren ja ganz fix einführen.

Es gibt viele Anfragen von Ländern, aber ich werde Ihnen nicht verraten, welche.

Eher schwarze oder rote?

Von Bundesländern. Wir reden mit allen, die dafür Verantwortung tragen. Wir halten es für eine schwierige Lage, wenn Deutschland 16 verschiedene Studienfinanzierungen in 16 Ländern bekäme. Stellen Sie sich mal das Chaos vor, wenn Studenten nicht mehr einfach von A nach B wechseln können …

dieser Flickenteppich entsteht doch bereits. Jeder bastelt seine eigenen Hochschulfinanzierung.

Warten Sie’s ab. Das Charmante an unserem Modell ist, dass sie es mit landesspezifischen Varianten erweitern können. Mit Studiengebühren zum Beispiel. Oder mit sozialen Kriterien. Das Land C könnte zum Beispiel sagen: Macht ein Student vor der Regelstudienzeit Examen, dann werden seine Schulden erlassen – weil er früher in die Sozialsysteme einbezahlt. Oder Studierende mit Kind werden vom Land unterstützt. Da ist vieles denkbar.

Das Ideal des selbstbewussten Studenten, das sie beschreiben, scheint uns nicht sehr verbreitet.

Viele Studenten freuen sich, dass sie unabhängig werden von ihren Familien. Auch nebenher zu jobben ist nicht mehr nötig. Und wer sich der Rückzahlung eines Kredits unterwirft, der wird mit seiner Zeit sorgsamer umgehen. Die Kredite werden disziplinierend wirken, wir werden Abbrecherquoten und Studienzeiten sehr direkt beeinflussen.

Sagt der Bankdirektor. Herr Reich, Sie verfahren wie so viele in der Gebührendebatte: Haben selbst umsonst studiert – und muten der neuen Generation Kredite und Gebühren zu.

Das sehe ich anders. Ich war in vielen Universitäten, um mit Studenten über unser Angebot zu diskutieren. Ich bin immer ohne Blessuren wieder rausgekommen. Ich habe mit Vergnügen festgestellt, wie klein die Zahl der vehementen Gegner ist. Übrigens liegen Sie falsch: Ich habe nie studiert.

Sie haben es ohne Studium zum Vorstandssprecher einer Bank mit 320 Milliarden Euro Bilanzsumme gebracht?

Ich habe noch nicht mal Abitur. Wir waren fünf Kinder, meine ältesten Geschwister haben studiert. Ich musste sehr früh Geld verdienen.

Was soll uns das sagen?

Ich bin ein lebender Grund für dieses Programm.