Parteienbeteiligung an Klimademos: Protest lieber ohne Parteien?

Bremens AktivistInnen fordern von den Parteien, sich wegen ihrer unzureichenden Klimaschutzpläne vom Streik fernzuhalten. Gut so? Ein Pro und Contra.

Transparente auf einer Demo von Fridays for Future Bremen

Klimaschutz jetzt – und zwar ohne Kompromisse, fordern Bremens Fridays for Future-Aktivist*innen Foto: dpa

Ja!

Selbstverständlich dürfen die Fridays for Future-AktivistInnen die Parteien von ihrer Demo ausschließen. Sie müssen es sogar: Ihr Streik liefe sonst Gefahr, zur Wohlfühlveranstaltung zu verkommen, um die maximale Einigkeit. Sind wir nicht alle Menschen? Wollen wir nicht alle, dass die Welt bewohnbar bleiben sollte? Finden wir nicht alle Brot leckerer als Scheiße?

Um solche Nullbotschaften geht es nicht am Freitag. Es geht um naturwissenschaftlich fundierte, verbindliche Forderungen. Diese sind allen in Bremen aktiven Parteien zu radikal. Sie betreiben alle Politik direkt gegen FFF, auch die, die sich besonders nah wähnen. Ein Flächenversiegelungsverbot? Nicht mit Die Linke, die „auf größeren Neubauflächen“ günstige Wohnungen schaffen will. Die Weser renaturieren? Da ist die SPD vor!

Das beste Beispiel gibt allerdings Umweltsenatorin Maike Schaefer ab: FFF zufolge hat zukunftstaugliche Politik in Bremen unter der Maxime zu stehen, bis 2030 Klimaneutralität zu erreichen. Die Spitzenkandidatin der Grünen hat diese Forderung aus dem Grünen-Wahlprogramm eigenhändig eliminiert, per Änderungsantrag: Dieses Ziel sei nicht zu erreichen. Das mag stimmen. Ihre Partei hat das ja auch so beschlossen. Aber eben drum ist es schon mehr als nur ein bisschen schizo, jetzt fürs Gegenteil auf die Straße gehen zu wollen.

Klar, alle haben ein begründetes Interesse, die schicken Bilder der engagierten jungen Menschen für die eigene Parteipropaganda auszuschlachten, so wie es der Dieselbetrugskonzern Volkswagen mit der internationalen Ikone Greta Thunberg versucht hat. Aber erstens hat er dafür zurecht auf die Kühlerhaube bekommen. Und zweitens: Etwas höhere sittliche Ansprüche sollten die Parteien sich selbst schon abverlangen.

Moral ist aber nicht die entscheidende Kategorie: Auf die inhaltlichen Differenzen kommt es an. Sie auszutragen: Das ist Politik. Sie stattdessen, noch dazu aus einer Herrschaftsposition heraus, einzuebnen – und das ist es ja, was die Parteien durch Selbstdarstellung im Demozug versuchen wollten – das ist zutiefst undemokratisch.

Es zeugt vom guten politischen Gespür der jungen BremerInnen, wenn sie sich gegen solche Versuche der Vereinnahmung sperren. Der Rest der Bewegung sollte sich an ihnen ein Beispiel nehmen. Benno Schirrmeister

Nein!

Wie frustrierend: Das fünfte Massenaussterben auf der Erde hat begonnen, der Fortbestand der Menschheit steht auf dem Spiel – und die Regierungen dieser Welt, sie reagieren träge bis gar nicht. Es wundert nicht, dass Fridays for Future Bremen diese fahrlässige Politik lieber auffordert, ihre Aufgaben zu machen, statt mitzustreiken.

Die Sicht auf Politik als Gegner ist allerdings nur bedingt geeignet. „Wir würden gerne, aber uns sind die Hände gebunden“ – was wie eine Ausrede klingt, trägt einen Funken Wahrheit in sich. Die Umwälzungen, die Fridays for Future zu Recht fordert, sind radikal – alle werden davon betroffen sein. Die Gelbwestenproteste in Frankreich aber zeigen, dass Politiker*innen ohne gesellschaftlichen Rückhalt nicht einmal eine Benzinsteuer umsetzen können.

Um zu handeln, sind Regierungen angewiesen auf große Bewegungen und gesellschaftlichen Druck. Wenn Parteien an der „Alle fürs Klima“-Demo teilnehmen, ist das vielleicht anbiedernd – aber es zeigt auch: Von euch würden wir uns ganz gerne in eine Richtung drücken und pressen lassen.

Dort, wo Klimaschutz ein Lippenbekenntnis bleibt oder aktiv behindert wird, muss Fridays for Future sich distanzieren. Doch Bremen zeigt mit seinen Zielen, etwa der Reduktion von Treibhausgasen um 80 Prozent bis 2030, zumindest ein ehrliches (wenn auch unzureichendes!) Bemühen. Die Bremer Regierungsparteien sind inkonsequente und fehlerhafte und kurzsichtige Verbündete, die weiter getrietzt und geschubst werden müssen – aber eben doch Verbündete.

Dazu kommt: Parteien sind keine Regierungen; sie wirken selbst bei der politischen Willensbildung mit. Ein Parteibanner auf der Demo kann durchaus helfen, dem Wähler oder der Sympathisantin noch einmal die eigene Verantwortung dem Klima gegenüber bewusst zu machen. Und schließlich: Wenn Parteien mit ihrer Teilnahme am Protest zeigen, dass auch sie mehr fordern, als das, was ihnen angeboten wird, kann das den Druck auf Regierungen durchaus erhöhen – in Bremen und in Berlin.

Klimaschutz verlangt der Welt alles ab. Wenn diese Demo ein Zeichen setzen soll, das über bisherige Streiks hinausgeht, dann muss sie groß und breit sein und Verbündete suchen. Nicht umsonst firmiert der Tag unter dem Motto „Alle fürs Klima“. Lotta Drügemöller

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Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.

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