Klimawandelleugner in Deutschland: Halb wahr, ganz falsch

In Deutschland haben die Leugner der Erderhitzung kaum Einfluss. Dennoch wird gern mit Fake News gegen den Konsens gestänkert.

Trockener Boden platzt auf

Dürrefolgen in Mecklenburg-Vorpommern: 99,94 Prozent der Wissenschaftler:innen sind sich beim Thema Klimawandel einig Foto: dpa

Am 12.September bekamen die Abgeordneten des Bundestags einen besonderen Brief. Thema: „Beratungen über CO2-Reduktion“. Absender: Die Deutsche Wildtierstiftung. Tenor: Alles halb so wild. Eine neue Studie und eine „von mir durchgeführte Modellrechnung“ zeigten, dass die Pflanzen sehr viel mehr CO2 aufnehmen könnten als es der Weltklimarat IPCC berechnet hätte, schrieb der „Alleinvorstand“ der Stiftung, Fritz Vahrenholt.

Vahrenholt ist in der Klimaszene ein alter Bekannter. Der ehemalige SPD-Umweltsenator von Hamburg und Ex-RWE-Manager ist in Deutschland einer der lautesten Zweifler an der Klimapolitik und ihren wissenschaftlichen Grundlagen. Gerade hat er mit dem CDU-Politiker Philipp Lengsfeld das re:look climate-Institut gegründet, um „wissenschaftliche Daten durch eigenständig definierte und durch Spenden finanzierte Initiativen“ zu analysieren.

Da könnte er bei seinem Brief gleich anfangen. Denn die Zitate aus der Studie seien verzerrt, moniert der Autor der Studie, Victor Brovkin. Im Interview mit dem Klimawissenschaftler Stefan Rahmstorf sagt Brovkin im Blog „Klimalounge“, Vahrenholts „Berechnungen sind fehlerhaft“, sie gründeten auf falschen Annahmen. Anders als die ursprüngliche Studie sei Vahrenholts Rechnung aber eben „nicht in der Fachliteratur erschienen, sondern zielt auf ein Laienpublikum“.

Belegte Fakten mit Behauptungen angreifen, das Publikum für dumm verkaufen, den Prozess der Wissenschaft unterlaufen – so arbeiten die Leugner des Klimawandels überall. Anders als in den USA oder etwa Brasilien, wo Faktenverdreher in höchste Ämter gewählt werden und Gleichgesinnte auf wichtige Posten setzen, spielen die selbsternannten „Klimaskeptiker“ in der deutschen Politik nur eine marginale Rolle. Allerdings sind ihre Stimmen immer wieder zu hören – durch den Einzug der AfD auch in den Parlamenten. Im Bundestag vergeht keine Debatte zum Klimaschutz, in der die größte Oppositionspartei nicht den Konsens der Wissenschaft infrage stellt.

Nicht belegte Vorwürfe

Bis weit ins bürgerliche Lager gibt es Stimmen, das könne doch alles nicht wahr sein: Der FDP-Abgeordnete Gero Hocker warf dem Weltklimarat IPCC nach dessen Sonderbericht zum Thema Landwirtschaft vor, die Experten hätten nicht genau hingeschaut – ohne diesen Vorwurf allerdings zu belegen. Seine Parteifreundin Nicola Beer, Spitzenfrau für die Europawahl, bezeichnet das „angebliche Auftreten von mehr Extremwettereignissen“ als „Fake News“, obwohl die Daten ihr widersprechen.

In diesen Tagen dreht sich alles ums Klima. Aus dem einsamen Protest von Greta Thunberg in Stockholm ist eine globale Bewegung geworden. Sie ruft zum weltweiten Streik auf. Am 20. September protestiert „Fridays For Future“ in 400 deutschen Städten, weltweit soll es 2.000 Aktionen in 120 Ländern geben. Gleichzeitig stellt die Bundesregierung die Weichen für eine strengere Klimapolitik.

Die taz ist Teil der Kampagne „Covering Climate Now“. Mehr als 200 Medien weltweit setzen bis zum UN-Klimagipfel vom 21. bis 23. September in New York gemeinsam genau ein Thema: Klima, Klima, Klima.

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Im Magazin des deutschen Rotary-Clubs, einer gemeinnützigen Vereinigung der selbsternannten Wirtschaftselite, wird der Klimawandel als Instrument zum Kampf gegen den Kapitalismus bezeichnet. „Klimawandel ist ein hochideologischer, subversiver Begriff, der eine Utopie der ‚Klimarettung‘ zum Ziel des politischen Handelns und zum moralischen Gebot erhoben hat“, heißt es unter der Überschrift „Bekenntnisse einer Klimaleugnerin“ in der Mai-Ausgabe.

Besonders an der Ikone der Fridays-for-Future-Bewegung, der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg, entzündet sich die Wut. Die AfD spottet über das „kranke Kind, von höchster Symbolkraft für die wahnhafte Klimarettungspolitik im Ganzen“. Aber auch der Enkel des ersten CDU-Bundeskanzlers Konrad Adenauer, Konrad Adenauer, zieht als Präsident des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins gegen Thunbergs „Klima-Wahnsinn“ vom Leder. Die Kölner Boulevardzeitung Express bietet ihm ein Forum für seine „Zahlen“, eine Mischung aus Halbwahrheiten und Ganzfalschheiten: CO2 sei nur ein Spurengas, Deutschland habe so geringe Emis­sio­nen, Klimaziele machten eh keinen Unterschied. Die Vorschläge der „Fridays“ jedenfalls sind für Adenauer schlicht „jeck“.

Carel Mohn ist Chefredakteur der preisgekrönten Webseite klimafakten.de, die von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation finanziert wird. Ihr Auftrag: Faktenchecks zu Klimafragen. Er nennt diese Akteure „Leugnisten“ und sagt: „Trotz AfD sehe ich nicht, dass wir als Gesellschaft eine akute leugnistische Herausforderung haben – ganz im Gegenteil ist jetzt dank Fridays for Future die Stunde gekommen, in der endlich über die Instrumente beim Klimaschutz politisch gestritten wird.“ Viel einflussreicher nennt er die „Ja-aber-Klimaskeptiker“, die für den Umweltschutz eintreten, dann aber konkrete Fortschritte bremsen.

Nachweisbar falsche Aussagen werden nicht gecheckt

Die Debatte ums Klima, so Mohn, zeige aber, „wie schwach, schlecht organisiert und auf ihren Job schlecht vorbereitet unsere wissenschaftsbasierte Politikberatung in Klimafragen ist“. Es gebe kaum eine verlässliche Stelle, die Faktenchecks liefere, wenn sich Politiker bei Themen wie Fleischkonsum, Waldschutz oder Flugverkehr „manchmal aus Kalkül, manchmal weil sie es selbst nicht besser wissen“, mit nachweisbar falschen Aussagen zu Wort meldeten.

Manchmal kann man auch einfach darauf warten, dass sich die Klimaleugner in ihren eigenen Argumenten verheddern. So ist es der AfD-Fraktion im Bundestag widerfahren. Die Rechtspopulisten, die auch einen Mitarbeiter des Eike-Instituts beschäftigen, das seit Jahren gegen die Wissenschaft polemisiert, nerven die Regierung mit skurrilen Anfragen rund ums Klima. Nun zweifelten sie an den Aussagen der Regierung, es gebe einen Konsens zum Klima unter 97 Prozent der Wissenschaftler. Das zuständige Bundesumweltministerium recherchierte und antwortete im August: Stimmt, die Zahlen seien nicht zu halten – sie lägen sogar noch höher: bei 99,94 Prozent der Klimawissenschaftler.

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