Anna Klöpper
Der Wochenendkrimi
: Hier riecht’s nach Schwefel: Der nackte Wahnsinn in einem Kreis aus Kreidemehl

Die Mutter des Ermordeten (Viktoria Trauttmansdorff) trauert um ihren Sohn Foto: Benoit Lindner/SWR

Also, die Sitzheizung ist aus – aber irgendwie riecht’s hier nach Schwefel, oder?“, fragt Kommissar Bootz (Felix Klare) spöttisch seinen Kollegen Lannert (Richy Müller). Der lehnt imLedersitz seines Oldtimer-Sportwagens, starrt auf den Bildschirm seines Smart­phones und hatte gerade vor sich hin sinniert, was dieses okkulte Zeichen, in die Brust einer frisch erdolchten Männerleiche geritzt, bei ihm auslöst, so „körperlich, emotional“. Ergebnis: „Vielleicht ein heißes Gefühl im Rücken.“ Klar, dass sich der Kollege den Spruch mit der Sitzheizung nicht verkneifen kann.

Ist ja auch gar nicht so leicht, übersinnlichen Hokuspokus ernst zu nehmen, wenn man noch nicht mal an Gott glaubt, wie der örtliche Pfarrer, in dessen Kirche der Erdolchte kurz vor seinem Tod einkehrte, Kommissar Bootz auf den Kopf zusagt. Er spüre das, Ungläubige verströmten immer so eine Unruhe.

Nun denn. Tatsächlich sind in diesem „Tatort“ vor allem die Gläubigen bedenklich weit von ihrer eigenen Mitte entfernt. Bootz und Lannert finden also diese Leiche, Marcel Richter (Max Bretschneider) heißt der junge Student. Nackt liegt er da in einem Kreis aus Kreidemehl, mitten auf einem einsamen Hochplateau irgendwo im Wald.

Schnell führt die Spur zu Emil Luxinger (André M. Hennicke), eine Art Guru, der Teufelsaustreibungen vornimmt und bekloppt anmutende, offensichtlich aber bewusstseinserweiternd wirkende Zeremonien mit naiven StudentInnen in alten Fabrikgebäuden praktiziert – das volle Programm eben. Hat er Richter auf dem Gewissen? Immerhin, so erfahren wir, hat Richter ihm ein Buch gestohlen, „Ziegenleder, schwarz, Beschläge aus Messing“, und wahnsinnig wertvoll – nicht wegen des Ziegenleders von 1662 (eine wichtige Jahreszahl in dieser Geschichte), sondern weil randvoll mit schwarzer Magie, wie Luxinger überzeugt ist.

Die StudentInnen, ein Buch, das aussieht wie aus der verbotenen Abteilung der Hogwarts-Bibliothek von „Harry Potter“, flackernde Neonröhren in der Rechtsmedizin und räudige Ratten und Wanzen in Großaufnahme: Ja, ja, gruselig soll’s einem werden, und die räudige Ratte schafft das auch ganz gut.

Ist alles etwas platt – aber die Frage, ob und wie man seinen Seelenfrieden im Wahnsinn oder im Extremen findet (Bootz’ kleiner Ausflug in einen illegalen Fight Club!), die ist spannend. Auch wenn es am Ende, da ist sich die Autorin vielleicht sicherer als dieser „Tatort“, immer eine medizinische Erklärung für menschlichen Wahnsinn gibt.

Stuttgart-„Tatort“: „Hüter der Schwelle“, So., 20.15 Uhr, ARD