Radsportler über die Tour de Siak: „Ich fuhr mit Filtermaske“

Rennen im Katastrophengebiet: Radsportler Robert Müller über seine Erfahrung bei der Tour de Siak in Indonesien, die trotz Bränden fortgesetzt wurde.

Radrennfahrer auf der Straße

Beigeisterung wie bei der Tour de France: Beim Rennen feuern Schaulustige die Fahrer an Foto: imago/Zuma press

taz: Herr Müller, Sie wurden gerade bei der Tour de Siak auf Sumatra in Indonesien trotz massiver Brandstiftungen von den Veranstaltern zur Weiterfahrt gedrängt. Wie war die Situation?

Robert Müller: Es war überall Rauch. Die Sicht war ganz gering, zwischen 50 und 100 Meter nur. Der Hals brannte, die Kleidung roch danach. Man hat es auch in den Augen gespürt, die haben teilweise getränt. Und im Rennen atmen wir ja richtig tief ein, und da spürt man das auch in den Lungen und den Atemwegen. Es reizt, man muss husten. Und auch der Sauerstoffanteil ist geringer. Es fühlt sich an, wie in großer Höhe zu fahren, man ist kurzatmig, und wenn man eine Attacke fährt, ist man sehr schnell kaputt danach.

Was waren die Brandursachen?

Die Regierung sagt wohl, dass es die Kleinbauern vor Ort sind, die Ackerland gewinnen wollen. Aber ich habe gehört, in Wirklichkeit steckt ein Konzern aus Malaysia dahinter, der das alles abbrennt, um dort dann Palmölplantagen zu errichten. In der Gegend waren auch überall schon Palmölplantagen. Das Palmfett ist in sehr vielen Produkten enthalten, weil es sehr billig ist. Wenn man dort unterwegs ist, sieht man riesige Monokulturen von diesen Palmölplantagen.

Der Rauch hat sich dann extrem ausgebreitet, es ging bis nach Malaysia in die Hauptstadt Kuala Lumpur und sogar bis nach Singapur. Dort hatte man sogar Probleme mit dem Formel-1-Rennen.

Genau, für die Zuschauer waren offenbar schon Atemmasken vorbereitet worden, dann drehte aber der Wind. Singapurs Energieminister schätzte, dass durch diese Moorbrände im Nachbarland – der getrocknete Torf dort ist der Hauptbrandstoff – 360 Millionen Tonnen Kohlendioxid freigesetzt wurden, mehr als die kompletten Kohlendioxidemissionen Spaniens im gesamten Jahr 2018.

Wie kann man unter solchen Umständen noch Radrennen fahren?

Eigentlich gar nicht. Die Empfehlung für die Bevölkerung war ja auch, dass man gar nicht herausgehen sollte, und wenn, dann nur mit Maske. Und vor allem sollte man keine Anstrengungen unternehmen.

Was mit dem Radsport unvereinbar ist.

Genau. Zum Rennen ist auch ungefähr ein Drittel der gemeldeten Fahrer gar nicht gekommen. Nur 55 anstelle der etwa 80 traten an. Von vornherein wurden die Etappen um etwa die Hälfte verkürzt. Die 3. Etappe wurde sogar abgebrochen nach 20 Kilometern, weil die Situation noch schlimmer war als am Vortag . Und am letzten Tag habe ich gemeinsam mit dem australischen Team einen Boykott zu organisieren versucht.

Mit welchem Erfolg?

Das hat leider überhaupt nicht funktioniert, weil die meisten Teamchefs ihren Fahrern gesagt haben, dass sie fahren müssen. Die Indonesier sehen die Situation auch gar nicht so kritisch, weil das öfter passiert. Sie sagten, der Smog in Jakarta sei oft genauso schlimm und sie trainieren trotzdem. Am letzten Tag konnten die Temchefs entscheiden, ob sechs oder acht Runden gefahren werden sollen. Acht Runden wären etwas mehr als hundert Kilometer gewesen, sechs Runden knapp achtzig. Die Mehrheit der Teamchefs hat sich dann für acht Runden ausgesprochen.

Sie haben das auch gemacht?

Nein. Ich bin dann nach einer Runde ausgestiegen. Meine Gesundheit war mir doch zu wertvoll. Ich habe gehört, dass die größten Probleme auch erst Jahre später auftreten können, wenn sich Nanopartikel des Rauchs in der Lunge festsetzen. Viele Fahrer hatten auch jetzt schon Kopfschmerzen und Halsschmerzen. Deshalb hatte ich entschieden, dass ich mit Mundschutz fahre. Auf der letzten Etappe bin ich sogar mit einer Partikelfiltermaske gefahren, obwohl man damit noch schlechter atmen kann. Viele Fahrer sind aber komplett ohne Mundschutz gefahren.

Jahrgang 1984, Maschinenbaustudent und als Amateur A-Lizenz-Radfahrer. Er fährt bis zu 30.000 Kilometer im Jahr.

Das Rennen war ja ein UCI-Rennen. Hat sich ein Vertreter vom Weltverband dort blicken lassen und Einfluss auf die Veranstalter genommen?

Nein, es war niemand da. Es wurde komplett in der Regie des indonesischen Verbandes durchgeführt, was ein Grund sein kann, warum es durchgezogen wurde. 2015, als hier ähnlich schlimme Zustände geherrscht haben müssen, wurde das Rennen noch abgesagt.

Sie sind ein Radsport-Globetrotter, waren zuvor schon bei anderen Rennen in Indonesien und auf den Philippinen, in Vietnam, Kambodscha und Laos, auf Trinidad und Tobago vor zwei Jahren ebenfalls. Was motiviert Sie dazu?

Ich mag es, auch woanders unterwegs zu sein. Nach Indonesien kam ich 2017 zum ersten Mal, hatte dort mit zwei Etappensiegen auch gleich Erfolg. Und dann ist auch die Begeisterung hier riesig. Man kann sich das in Europa als Amateurfahrer gar nicht vorstellen. Sehr viele Schulklassen stehen an der Strecke, die die ganze Zeit Musik machen. Nach den Rennen kommen viele Leute, um Fotos mit einem zu machen. Auch die Organisation ist hervorragend, es gibt eine Werbekarawane, und die Strecke ist komplett abgesperrt.

In Indonesien bleiben Sie trotz der Raucherfahrung noch ein wenig?

Ja, ich fahre noch einige Rennen hier, dann aber in anderen Regionen.

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