Nachwirkungen Blockupy-Proteste: Plastikfolie als Schutzwaffe?

Ein Aktivist legt Verfassungsbeschwerde gegen Geldstrafe ein. Er war verurteilt worden, weil er sich mit Folie gegen Pfefferspray hatte schützen wollen.

Benjamin Ruß

Aktivist Benjamin Ruß findet ganz und gar nicht, dass eine Plastikfolie eine „Schutzwaffe“ ist Foto: dpa

KARLSRUHE taz | Kann es strafbar sein, auf seine Gesundheit zu achten? Das fragt sich Benjamin Ruß. Der Münchener Blockupy-Aktivist wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er sich mit einer Plastikfolie vor Pfefferspray schützen wollte. Die Plastikfolie sei eine verbotene „Schutzwaffe“, urteilten Strafrichter. Dagegen hat Ruß jetzt eine Verfassungsbeschwerde eingelegt, die der taz vorliegt.

Konkret ging es um einen Vorfall im März 2015. Damals protestierten Tausende Linke in Frankfurt am Main gegen die feierliche Eröffnung der Europäischen Zentralbank (EZB), die als Symbol für Austeritätspolitik kritisiert wurde. Es kam zu Ausschreitungen, dabei setzte die Polizei unter anderem Pfefferspray ein.

Als die Polizei anschließend ihre Videoaufnahmen auswertete, fiel ihr ein junger Mann mit einer roten Jacke auf, der zeitweise eine Plastikfolie vor dem Gesicht trug. Anhand seiner Jacke wurde er schnell als Benjamin Ruß aus München identifiziert, denn 2015 agierte er auch als Pressesprecher der Proteste gegen den G7-Gipfel im bayerischen Elmau.

Plastikfolien, wie Ruß sie trug, waren am Vorabend der EZB-Proteste hundertfach an Aktivisten verteilt worden. Es handelte sich um durchgeschnittene transparente Overheadfolien in DIN-A5-Größe mit einer Dicke von etwa 3 Millimetern. Sie konnten mit einem Band am Kopf befestigt werden und sollten die Augen gegen Pfeffersprayeinsätze schützen.

Nach Ansicht von Frankfurter Strafrichtern war dies jedoch ein Verstoß gegen das Schutzwaffenverbot. Ruß wurde im Mai 2017 vom Amtsgericht Frankfurt zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Frankfurter Landgericht bestätigte dies im März 2019. Ruß musste 300 Euro bezahlen (30 Tagessätze).

Das Schutzwaffenverbot wurde 1985 gemeinsam mit dem Vermummungsverbot ins Versammlungsgesetz eingeführt. Seitdem ist es verboten, bei Versammlungen unter freiem Himmel „Schutzwaffen“ mit sich zu führen, die Maßnahmen der Polizei abwehren sollen.

Gemeint sind zum Beispiel Panzerungen an der Kleidung, Schutzschilde oder Helme. Solche Ausrüstungen dokumentierten „aufgrund ihres martialischen Erscheinungsbildes eine offenkundige Gewaltbereitschaft“, so damals der Gesetzgeber. Schutzwaffen übten zudem eine „aggressionsstimulierende Wirkung“ aus.

Weder martialisch noch aggressionsstimulierend

Davon ausgehend könne eine Plastikfolie nicht als Schutzwaffe behandelt werden, kritisiert Ruß in seiner Verfassungsbeschwerde. Sie wirke weder martialisch noch aggressionsstimulierend. Sie sei auch nicht dazu da, den Träger für körperliche Auseinandersetzungen mit der Polizei zu ertüchtigen. Vielmehr solle die Folie nur seine eigene Gesundheit schützen. Er habe den ganzen Tag nur friedlich demonstriert, das zeigten auch die Polizeivideos.

Ruß beruft sich auch auf eine Polizistin, die beim Landgericht ausgesagt hatte. Danach solle mit Pfefferspray nur auf den Brustbereich gezielt werden. Gereizt werden sollten die Atemwege und nicht die Augen. Daraus schloss Ruß: „Wenn ich meine Augen gegen Pfefferspray schütze, schütze ich sie nur gegen die illegale Anwendung in die Augen sowie gegen die Streuwirkung von flächendeckend versprühtem Pfefferspray.“

Wenn Demonstranten sich nicht gegen den illegalen Einsatz von Reizmitteln schützen dürften, seien die Demonstrationsfreiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt, heißt es in der Verfassungsbeschwerde, die von dem Münchener Anwalt Mathes Breuer verfasst wurde.

Der Einsatz von Plastikfolien ist bei Demonstrationen inzwischen zwar wieder etwas aus der Mode gekommen, aber Ruß findet den Gang nach Karlsruhe trotzdem praktisch relevant. „Wenn mir das Bundesverfassungsgericht recht gibt, werde ich meine Augen sofort wieder mit einer Folie schützen“, sagte er auf Nachfrage.

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