SPRACHRÄUME

Üblicherweise findet der Gummipöppel mit Holzstiel und roter Saugglocke seine Bestimmung in der Beseitigung von Verstopfungen durch Druck. In der Performance von müller***** stabilisiert das Gerät hingegen eine unangenehme Denkposition. Der Stiel bohrt sich in den Hinterkopf und knickt den Nackenbereich nach vorn, während der Rest des Körpers flach auf dem Boden liegt. Mit diesem Bild wird in „Utopisch denken“ die Kraftanstrengung unternommen, über den Ist-Zustand hinauszublicken und gängige Annahmen im Kleinen und Großen auf den Prüfstand zu stellen. Ist das derzeitig als bestmögliches System etablierte Demokratiemodell schon der Weisheit letzter Schluss? Wären hier nicht noch andere Entwürfe möglich und logisch? Die Bühne verwandelt sich in ein Labor und mit den Mitteln des Theaters schafft Elisa Müller experimentelle Szenen, die das Denken antreiben wollen. Das utopische wohlgemerkt. Sa, 1. 9., 20.15 Uhr, Lichthof Theater, Mendelssohnstraße 15

Zum Start des diesjährigen Off-Wettbewerbs schickt das Lichthof Theater das Stück „Herz der Finsternis“ ins Rennen. Angesiedelt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in den letzten europäischen Bestrebungen als Kolonialherren aufzutreten, zeichnen zwei Schauspieler, eine Tänzerin und eine Musikerin den Weg des Kapitäns Marlow nach. Im Auftrag einer belgischen Handelskompanie soll ein Treffen mit einem Elfenbeinhändler arrangiert werden, doch während der Fahrt auf den kongolesischen Flüssen werden vielmehr die Ängste vor dem Fremden durchgespielt und in immer neuen Abgrenzungen das Eigene gesucht. Die europäischen Denkraster verschwimmen zunehmend. Für das Stück überarbeitete Felix Meyer-Christian einen Roman von Joseph Conrad aus dieser Zeit, der selbst als Kapitän Teile Afrikas beschiffte und als Schriftsteller die rassistischen und kolonialen Kategorien kritisierte. Blicke auf die vermeintlich Anderen, die bis heute fortwirken. Fr, 7. 9. (Premiere), 20.15 Uhr und So, 9. 9., 19 Uhr, Lichthof Theater, Mendelssohnstraße 15

Hier wird geredet, kommentiert und auch wenig schmeichelhafte Worte fallen. In ihrem vielfach preisgekrönten Stück „Sippschaft“ (Foto) inszeniert die britische Regisseurin Nina Raine eine Familienkonstellation, die sprach- und lautgewaltig ihre Welt und hier in der deutschsprachigen Erstaufführung das Theater in Beschlag nimmt. Auch der gehörlose Sohn muss und will mitziehen und zieht dabei doch oft den Kürzeren. Wie diese lärmende Welt ihm ihre Sprache aufzwingt, erfährt er erst, als er sich in Sylvia verliebt, ihre tauben Eltern und eine andere Art des Sprechens kennenlernt. Sa, 1. 9. und Mo 3. 9. bis Fr, 7. 9., jeweils 19.30 Uhr, Ernst-Deutsch-Theater, Friedrich-Schütter- Platz 1KENDRA ECKHORST