Anklagen wegen Dieselgate: Staatsanwälte knöpfen sich VW vor

Spät, aber bedrohlich für Volkswagen: Konzernchef Diess, Oberaufseher Pötsch und Ex-Vorstandsboss Winterkorn werden wegen Marktmanipulation angeklagt.

Die damaligen VW-Manager Martin Winterkorn und Herbert Diess blicken in ein Blatt Papier

Zwei im Visier der Staatsanwaltschaft: Martin Winterkorn (l.) und Herbert Diess (Archivbild) Foto: dpa

BERLIN taz | Gut vier Jahre nach Bekanntwerden des Dieselskandals bringt die Staatsanwaltschaft Braunschweig den Volkswagen-Konzern mit einer Anklage gegen dessen Führungsspitze in Bedrängnis. Nach jahrelangen Ermittlungen erhoben die Fahnder am Dienstag Anklage wegen Marktmanipulation gegen den aktuellen Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess, gegen Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und gegen Ex-Vorstandsboss Martin Winterkorn. Das Gericht muss nun darüber befinden, ob diese auch zugelassen wird.

Um den Absturz des Aktienkurses zu vermeiden, haben die VW-Granden laut Staatsanwaltschaft die Anleger nicht rechtzeitig über den Dieselskandal informiert. Die Beschuldigten hätten spätestens im Juli 2015 von den Manipulationen der Abgassoftware von Dieselmodellen gewusst, jedoch „bewusst und gewollt von der erforderlichen Ad-hoc-Meldung abgesehen, um den Börsenkurs der VW-Aktien auf dem bisherigen Stand zu halten und Verluste der VW-AG zu vermeiden“. So heißt es in der 636 seitigen Anklageschrift der Behörde.

Die Bosse hätten damals lieber „die Strategie verfolgt, ohne Offenlegung aller relevanten Umstände mit den US- Behörden einen Vergleich zu erzielen, in dem in der Wortwahl zwar von technischen Problemen, nicht aber von einem Betrug“ die Rede sein sollte“. Erst am 18. September 2015 wurde der millionenfache Betrug mit Abgaswerten von den US-Umweltbehörden öffentlich gemacht. Am ersten Börsentag danach brach die VW-Aktie um 20 Prozent ein. Am 22. September legte der Konzern schließlich 6,7 Milliarden Euro zurück und kassierte seine Gewinnziele.

Für VW, mit über 600.000 Mitarbeitern der größte Autobauer der Welt, ist der Vorwurf gegen die Führungsspitze bedrohlich. Erstens würde ein Prozess erhebliche Kräfte der Chefs binden. Außerdem hat der Dieselskandal bereits so viele VW-Manager den Job gekostet, dass Nachfolger für die amtierenden Chefs kaum in Sicht sind. Offenbar sollen Diess und Pötsch zunächst trotz Anklage im Amt bleiben. Wie ernst der Konzern den Schritt der Staatsanwaltschaft nimmt, zeigte am Dienstagnachmittag eine Sondersitzung des Präsidium des Aufsichtsrates.

Beschuldigte weisen Vorwürfe zurück

Diesem höchsten VW-Gremium gehört auch Chefkontrolleur Pötsch an, damals Finanzvorstand von VW. Er wäre im Sommer 2015 dafür zuständig gewesen, eine sogenannte Ad-hoc-Mitteilung herauszugeben, mit der Anleger über wichtige Ereignisse informiert werden. Weniger im Zentrum der Vorwürfe dürfte Vorstandsboss Diess stehen, der erst im Juli 2015 von BMW in sein neues Amt als VW-Markenvorstand wechselte. Ex-Konzernchef Winterkorn soll laut Staatsanwaltschaft bereits im Mai 2015 von dem Betrug gewusst haben.

Die Beschuldigten wiesen die Vorwürfe zurück. „Die Anklage wird Herrn Dr. Diess in Bezug auf seine Verantwortung als Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG nicht einschränken“, teilten seine Anwälte mit.

Die Wiedergutmachung des Skandals hat Volkswagen bislang 30 Milliarden Euro gekostet – vor allem in den USA. In Deutschland hoffen hunderttausende Kunden immer noch auf eine Entschädigung. In der kommenden Woche soll der Mammutprozess um die sogenannte Musterfeststellungsklage beginnen.

Vergleichsweise bescheiden dagegen eine Geldbuße in Höhe von 870 Millionen Euro, die Daimler am Dienstag für zu hohe Dieselabgaswerte akzeptierte – ohne Gerichtsverfahren. In einer mit der Fahrzeugzertifizierung befassten Abteilung sei die Aufsichtspflicht ab 2008 verletzt worden, erklärte die Staatsanwaltschaft. Verfahren gegen die Führung seien davon nicht berührt.

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