Aus für Veranstalter Thomas Cook: Viele in Reisebranche gehen baden

Der Touristikkonzern Thomas Cook ist pleite. Urlauber sitzen fest. Klimaauflagen und zunehmender Individualtourismus verändern die Industrie.

Touristen im kubanischen Varadero

Werden im preisbewusster: Touristen, hier im kubanischen Varadero Foto: reuters

BERLIN taz | Der britische Touristikkonzern Thomas Cook ist in die Insolvenz geschlittert. Mit den deutschen Ablegern des Unternehmens sind derzeit 140.000 Gäste unterwegs. Sie sitzen in ihren Hotels fest, Flüge bleiben auf dem Boden. Für Thomas Cook arbeiten 21.000 Menschen, davon 9.000 in Großbritannien. Betroffen sind laut Konzern weltweit rund 600.000 Urlauber, darunter 150.000 Briten. Großbritannien ist neben Deutschland der wichtigste Absatzmarkt für Thomas Cook.

In Deutschland springt bei Pauschalreisenden im Fall einer Insolvenz des Veranstalters ein Versicherer ein. Andere Fluggesellschaften helfen dann, Touristen nach Deutschland zu holen. Anders in Großbritannien. Dort bezahlt der Staat die Rückholung gestrandeter Urlauber. Die britische Regierung kündigte die größte Rückführungsaktion seit dem Zweiten Weltkrieg an. Für Urlauber im Ausland wurde die Website thomascook.caa.co.uk geschaltet.

Der deutsche Zweig von Thomas Cook lote, so das Unternehmen, „letzte Optionen“ aus. Scheitern diese, muss für die Thomas Cook GmbH, Thomas Cook Touristik GmbH und weitere Gesellschaften Insolvenzantrag gestellt werden. Die deutschen Veranstaltertöchter, zu denen Marken wie Neckermann Reisen, Bucher Last Minute, Öger Tours, Air Marin und Thomas Cook Signature gehören, haben den Verkauf von Reisen bereits komplett gestoppt. Kunden, die aktuell abreisen wollten, strandeten.

Die Thomas-Cook-Tochter Condor ist vorerst nicht von der Pleite betroffen. „Wir führen den Flugbetrieb regulär fort“, sagte eine Sprecherin. Aus rechtlichen Gründen darf der Ferienflieger allerdings Urlauber, die mit Thomas-Cook-Veranstaltern gebucht haben, nicht mehr an ihr Reiseziel bringen. Condor hat beim Bund einen Überbrückungskredit beantragt. Das Unternehmen Thomas Cook steckt schon lange in Schwierigkeiten. 2012 hatten mehrere Banken den Konzern mit frischem Geld nach immensen Abschreibungen auf das britische Geschäft und IT-Systeme gerettet. Die Schulden in Milliardenhöhe häuften sich, hinzu kamen die hohen Zinslasten. Bis Sonntag hatte das Management mit dem chinesischen Mischkonzern Fosun, der den TUI-Konkurrenten übernehmen wollte, über frisches Kapital in Höhe von umgerechnet 226 Millionen Euro verhandelt. Dieses wäre zu einem bereits ausgehandelten 900 Millionen Euro schweren Rettungspaket hinzugekommen. Die britische Regierung hatte eine Bitte über eine Finanzspritze von knapp 170 Millionen Euro abgelehnt.

Preiskampf

Die britische Regierung kündigte die größte Rückführungsaktion von 150.000 Brit*innen seit dem Zweiten Weltkrieg an

Tourismus ist zwar nach wie vor der Wachstumsmarkt. „Ja, die Kunden reisen, aber sie akzeptieren keine Preiserhöhungen“, sagt Fritz Joussen, Chef der Marktführerin TUI. Im Gegensatz zum Ex-Konkurrenten Thomas Cook ist die gut aufgestellt. Sie hat sich weitere Märkte erschlossen, vor allem im boomenden Kreuzfahrtgeschäft.

Generell tobt ein Preiskampf im Reise- und Fluggeschäft. Und der Druck zu einer Marktbereinigung ist im Tourismus ebenso wie in der Luftfahrt hoch. In den vergangenen Jahren gingen die Fluggesellschaften Air Berlin, Niki und Germania pleite. Der Verband Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) rechnet nach der Pleite des Reisekonzerns Thomas Cook mit weiteren Geschäftsaufgaben in der Branche.

„Nach unseren Beobachtungen steht die Branche unter Druck, denn der Trend geht immer mehr zu Individualreisen“, sagte der VID-Vorsitzende Christoph Niering. „Bei Reisebüros haben wir schon eine starke Marktbereinigung gesehen. Jetzt trifft es zunehmend auch die Reiseveranstalter.“ Neben dem wachsenden Individualtourismus würden diese nun durch neue Klimaauflagen zusätzlich in Bedrängnis geraten. Die Bundesregierung hat in ihrem Klimaschutzpaket unter anderem eine Flugticketsteuer beschlossen.

„Das alles sorgt dafür, dass die Versicherer bei den Reiseveranstaltern sensibler werden“, sagt Niering, der selbst Fachanwalt für Insolvenzrecht ist. „Wer wackelt, bekommt keine Insolvenzversicherung mehr. Das ist eine Art Frühwarnsystem.“

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