Unterwegs in ungeahnten Höhen

Natürlich wird Freiburg mit internationalem Geschäft nichts zu tun haben. Aber die Saison könnte etwas sorgenfreier werden

Höhenflug auch gegen Augsburg: Nicolas Höfler springt koordinierter als Jan Moravek. Letztlich reicht es nur zum 1:1. Und nicht zur Tabellenspitze Foto: dpa

Von Christoph Ruf

Natürlich wurde Christian Streich auch noch auf den künftigen DFB-Präsidenten angesprochen. Friedrich Keller, im Badischen allerorten als „der Fritz“ bekannt, saß ja am Samstag letztmals als Präsident des SC Freiburg auf der Tribüne. „Alles Gute“ wünsche er Keller bei dessen Mammutaufgabe. „Das ist ja eine Managertätigkeit mit vier Terminen am Tag. Mir reicht ein Termin, der Fritz hat lieber vier.“

Bloß keine locker-flockig davon­galoppierenden Erwartungen

Beim nächsten Heimspiel gegen Dortmund wird Keller seinen angestammten Platz im Block B8 zwar ebenfalls einnehmen. Doch als dann bereits amtierender DFB-Präsident wird er etwas mehr Neutralität mimen müssen als beim Freiburger Führungstreffer gegen Augsburg durch Lucas Höler (24.), die später durch Florian Niederlechner ausgeglichen wurde (39.). Nun ist ein 1:1 zwischen Freiburg und Augsburg kein Ereignis, das überregional an normalen Tagen für mediale Aufwallungen sorgen würde. Im Spätsommer 2019 ist das ganz anders, Agenturen und Online-Medien variierten fast unisono den Satz „Freiburg verpasst den Sprung an die Tabellenspitze“. Und das durchaus faktengestützt. Schließlich wäre der kleine Sportclub tatsächlich bei einem Sieg auf Platz eins gelandet. Er hätte die Tabellenführung am Samstag von 17 Uhr 19 an auch exakt drei Stunden lang genießen dürfen, ehe dann der Leipziger Sieg im Abendspiel gegen Bremen feststand. Es wären wahrscheinlich drei Stunden geworden, in denen Spaßkanonen wie Marco Terrazzino oder Vincenzo Grifo ihre Witze gerissen hätten und irgendwann nach einem sehr strengen Blick des Trainers verstummt wären. Vor kaum etwas hat Streich schließlich mehr Bammel als vor locker-flockig davongaloppierenden Erwartungshaltungen. Um die Alarmglocken schrillen zu lassen reicht es schon, dass es ein sehr junger, sehr internetaffiner Oberbürgermeister bei der Grundsteinlegung zum neuen Stadion sagt, er würde dort auch gerne einmal Champions-League-Spiele sehen. Und so lustig es auch sein mag, dass neben den üblichen Verdächtigen aus München, Dortmund und all den anderen Groß-Etatisten just der SCF im oberen Drittel rangiert, es ist eben nur die Tabelle am Ende des fünften Spieltages, dem gemeinerweise noch 29 folgen werden. Angreifer Nils Petersen sprach dann auch schnell von „einem weiteren Punkt Richtung 40-Punkte-Marke“.

Nun besteht in Freiburg zwar durchaus die Gefahr, dass man auch mit 50 Punkten am 33. Spieltag noch das 40-Punkte-Ziel ausgibt, doch natürlich wird der SC auch in dieser Spielzeit nichts mit dem internationalen Geschäft zu tun haben. Eine sorgenfreiere Saison, womöglich eine, in der der Klassenerhalt schon ein paar Spieltage vor Schluss feststeht, kann es aber durchaus werden. Und zwar vor allem deshalb, weil der Sportclub in dieser Transferperiode außer Niederlechner, der in fünf Spielen schon drei Mal für den FCA traf, keinen Spieler abgegeben hat, der akut stammplatzgefährdet gewesen wäre. Abgänge der Größenordnung Matthias Ginter, Maximilian Philipp oder Papiss Demba Cissé gab es schon gar nicht. Während Streich in der Vergangenheit also schon zuweilen bis in den Herbst brauchte, um eine mal wieder zerfledderte Mannschaft neu zu justieren, gelang das diesmal schon im Sommertrainingslager. Eine potenzielle Stammelf steht seit Juli. Dass es unter anderem auf der Innenverteidigerposition und in der Mittelfeldzentrale gleichwertige Alternativen gibt, erhöht die taktische Flexibilität. Streich kann sich nun auch in der eigenen Aufstellung wesentlich besser als früher auf den jeweiligen Gegner einrichten. Allerdings bietet der nach der Rückkehr von Grifo auf 29 Mann angeschwollene Kader auch ein erhöhtes Konfliktpotenzial. Spieler wie Woo-Yeong Jeong, Brandon Borrello oder Roland Sallai haben sich vor der Saison noch berechtigte Hoffnungen auf einen Stammplatz gemacht, kamen aber bisher kaum zum Zug. Die Idylle in Freiburg könnte der sich aufstauende Frust also durchaus einmal beeinträchtigen. Zumindest bis zur nächsten Transferperiode im Winter, bei der vier bis sechs Profis das Weite suchen könnten. Dass sie dann einen Champions-League-Aspiranten verlassen, ist derweil unwahrscheinlicher, als dass der Wunsch wahr wird, den Streich dem künftigen DFB-Präsidenten mit auf den Weg gab. Der will mit ihm bald mal wieder „ein Glas Wein zusammen trinken oder was essen“. Das sollte zu schaffen sein, Kellers Restaurants sind keine halbe Stunde von Streichs Haus entfernt.