Doppelflug zum UN-Klimagipfel: Desaströse Symbolik

Die Kritik am Doppelflug der Bundesregierung ist hohl. Und die Botschaft der deutschen Klimapolitik ist so verheerend, weil sie so ehrlich ist.

Ein Flugzeug mit Kondensstreifen am blauen Himmel

Sieht irgendwie cool aus, ist aber unsexy. Wer kein Geld zum Fliegen hat, liegt zumindest im Trend Foto: dpa

Für die Atmosphäre sind es weniger als Peanuts, ob die deutsche Regierung mit einem oder zwei Flugzeugen in die USA unterwegs ist. Kanzlerinnen, Präsidenten und Minister bekommen zu Recht ein Upgrade in ihre eigene Business- beziehungsweise Politics-Class. Kein vernünftiger Mensch wird Angela Merkel vorhalten, dass sie über 300.000 Kilometer im Jahr fliegt.

Deshalb ist die Kritik am Doppelflug auch hohl. Für jedes zweitklassige Champions-League-Spiel wird die Atmosphäre mehr belastet als für den wichtigen Auftritt der deutschen Kanzlerin vor den Vereinten Nationen. Aber Politik ist eben zu einem großen Teil auch Symbolpolitik. Und da fehlen offenbar die Sensibilität und die koordinierte Planung in der Regierung. Wie ihr Verhalten auf ihr Volk und den Rest der Welt wirkt, ist offenbar zweitrangig.

Die Symbolik ist so desaströs, weil sie so ehrlich ist. Denn auch die deutsche Klimapolitik, die sich in einem mutlos vermurksten Klimapaket manifestiert, beruht in weiten Teilen darauf, einfach so weiterzumachen wie bisher und nicht wirklich nachzudenken. Sie folgt dem Grundsatz: Niemandem irgendetwas zumuten! Ob Autofahrer, Hausbesitzer, Industriebetrieb oder Kohlekumpel – jeder wird behütet und mit Geld überhäuft, damit das klimapolitische Klein-Klein bloß nicht zu politischem Schluckauf führt.

Das ist nicht nur für die Debatte in Deutschland ärgerlich. Es ist vor allem eine niederschmetternde Botschaft an viele der Länder, die in New York auf Merkel warten. Denn im viertgrößten Industrieland der Welt, das aus einem Jahrzehnt der Hochkonjunktur kommt, können wir es uns leisten, in den nächsten vier Jahren 54 Milliarden Euro auszugeben, ohne dafür viel Klimaschutz zu bekommen.

Klimaschutz? Nur für die Reichen!

Aber die Botschaft an Länder, die es nicht so dicke haben, ist fatal: Klimaschutz? Nur für die Reichen! Das war schon so beim Kohleausstieg, den man sich mit 40 Milliarden auch erst mal leisten können muss. Dem dringend nötigen Kohleausstieg in China oder Indien wäre mit ein paar innovativen Ideen aus Germany aber besser geholfen als mit der Botschaft: Kauft euch frei, wenn ihr es könnt!

Es geht nicht darum, dass am deutschen Wesen die Welt genesen soll. Es geht um die globale Verantwortung dieses Landes für effektiven Klimaschutz. Da sind internationale Auftritte viel wert. Noch besser wäre es, die Kanzlerin käme auch mit einem ehrgeizigen und schlüssigen Konzept für den Umbau der fossilen Wirtschaft in eine nachhaltige Zukunft.

Also mit etwas, woraus sich andere Länder und Unternehmen Ideen und Inspiration holen könnten. Wenn die deutsche Regierung einen solchen Plan hätte, wäre es auch egal, ob die Ministerinnen und Minister mit eigenem Jet oder als Fluggemeinschaft durch die Welt reisen.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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