Schwesig gibt SPD-Vorsitz ab

SPD-Politikerin Manuela Schwesig ist an Krebs erkrankt und zieht sich aus der Bundespolitik zurück. Sie bleibt aber Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern und SPD-Landesparteichefin

Von Simone Schmollack

Es gibt Nachrichten, die verkündet man ungern. Besonders, wenn sie einen selbst betreffen. Am Dienstag gab Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, bekannt, dass sie Brustkrebs hat und daher ihren Posten in der SPD-Dreierspitze niederlegt. In Mecklenburg-Vorpommern bleibt sie aber sowohl Ministerpräsidentin als auch Parteichefin. Das dürfte im Norden viele Menschen freuen.

Seit dem Rücktritt von Andrea Nahles als Parteichefin der Sozialdemokraten führte Schwesig die Partei kommissarisch gemeinsam mit Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, und dem hessischen SPD-Politiker Thorsten Schäfer-Gümbel. „Die gute Nachricht ist: Dieser Krebs ist heilbar. Allerdings ist dafür eine medizinische Behandlung notwendig“, schrieb die Ministerin mit Blick auf ihre Arbeit. „Dies wird dazu führen, dass ich in den kommenden Monaten nicht an allen Tagen öffentliche Termine wahrnehmen kann. Ich habe deshalb die Ministerinnen und Minister gebeten, mich an diesen Tagen zu vertreten.“

Schwesig gilt als Ministerin, der die Menschen vertrauen, die sie als authentisch erleben und die ihr abnehmen, was sie sagt. Als sie 2008 in Mecklenburg-Vorpommern Sozialministerin wurde, war sie 34 Jahre alt und weitgehend unbekannt. Das sollte sich rasch ändern, Schwesig ist das, was man Ostfrauen gern nachsagt: pragmatisch, zäh, kraftvoll. Innerhalb kürzester Zeit krempelte sie die Sozialpolitik in ihrem Land um, kämpfte für mehr Kitaplätze, bessere Pflege, mehr Väterbeteiligung in der Familie, eine bessere Work-Life-Balance. Sie galt und gilt als emanzipatorische Vorzeigefrau der Ost-SPD.

Natürlich drängte es sie weiter nach vorn, an die Spitze der Bundespolitik. 2013 wurde sie Familienministerin der Republik – und löste all das ein, was sie für den Wechsel nach Berlin versprochen hatte: Frauenquote manifestiert, Unterhaltsvorschuss ausgeweitet, Prostituiertenschutzgesetz verabschiedet, Transparenz bei den Gehältern erreicht, Elterngeld Plus ausgerufen, den Passus Nein heißt Nein im Sexualstrafrecht durchgesetzt. Alles Vorhaben, die in Gesetze gegossen wurden.

Anfangs wurde sie kritisch beäugt: Rhetorisch ist die ja nicht so dolle. Ihre Sätze klangen gestelzt und holzig, wie auswendig gelernt. Mitunter fürchtete man, sie würde ihren Faden verlieren, unterbräche man sie. Aber sie hat gelernt, sich coachen lassen. Heute parliert sie charmant und humorig. Unvergessen ihr Auftritt bei „Anne Will“ nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2017. Als einzige Frau zwischen männlichen Alphatieren der CDU, Grünen und FDP soll sie das desaströse Abschneiden ihrer Partei erklären. Irgendwann legt sie Volker Bouffier, CDU-Ministerpräsident in Hessen, die Hand auf den Arm, lächelt und sagt: „Herr Bouffier, machen Sie sich mal ehrlich, in der Familienpolitik sind Sie ziemlich blank.“ Da war klar, sie ist schon lange nicht mehr die Harmlose, für die sie manche bis dahin immer noch gehalten haben.

Im Sommer 2017 ging sie trotzdem zurück nach Schwerin. Der damalige SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering war an Krebs erkrankt, Schwesig trat an seine Stelle. Doch so ganz gab sie die Bundespolitik nicht auf, vor allem wenn es um „ostdeutsche Belange“ ging: Ostdeutsche sollten stärker im öffentlichen Fokus stehen, sie sollten ebenso bezahlt werden Westdeutsche und in wissenschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Topjobs angemessen vertreten sein.

Schwesig ist eine Kämpferin. Mit ihr wird weiter zu rechnen sein.