berlinmusik
: Tuben reiben

Was Musik soll, ist ja eine recht schwierige Frage. „Unterhalten“ gehört zu den häufig gewünschten Wirkungen. Aber auch damit verbindet der eine dies, die andere das. Überhaupt ist die Frage, ob mit „unterhalten“ auch nur annähernd erfasst ist, was Musik so alles kann.

Sie kann andererseits, wenn sie gut ist, schon mal die Ohren öffnen. Und dann im nächsten Schritt noch andere Körperregionen erreichen wie den Kopf, sprich Verstand, das Herz, sprich Gefühl, und vieles andere mehr. Das Ohrenöffnen selbst sollte man jedoch nicht so ohne Weiteres als bloße zweckgerichtete Tätigkeit verstehen, etwa wie das Öffnen einer Flasche dem Zweck dient, an ihren Inhalt heranzukommen.

Microtub, das Trio der Musiker Robin Hayward, Martin Taxt und Peder Simonsen, öffnet mit seinem Ansatz, Musik mit mikrotonal geblasenen Tuben zu machen, auf ziemlich fundamentale Weise die Ohren seines Publikums. Denn bei Microtub reduziert sich das Geschehen weitestgehend auf langgehaltene Dreiklänge mit ungewöhnlichen, oft klitzekleinen Tonabständen.

Der in Berlin lebende Brite Robin Hayward hat für sein Instrument, die Tuba, eigens eine spezielle Stimmung entwickelt, Hayward Tuning Vine genannt. Was er auf diesem Weg ermöglicht, hat mit Blaskapellen sehr wenig zu tun. Überhaupt denkt man bei den zwei langen Stücken des aktuellen Albums „Chronic Shift“ selten an Blasmusik im üblichen Sinne.

Vielmehr an Drones, aber ohne die Urgewalt dessen, was unter dem Titel „Drone“ oft mit lauten Frequenzen zelebriert wird. Hier wird die Aufmerksamkeit hingegen auf die minimalen Verschiebungen von einem Ton zum nächsten gelenkt, auf den Rhythmus, der bei den sich aneinander reibenden Obertönen entsteht.

Im Titelstück, das Aufnahmen aus dem Großen Wasserspeicher in Prenzlauer Berg verwendet, kommen zu den drei Instrumenten noch Synthesizerklänge von Peder Simonsen hinzu. Wobei die Kunst von Microtub in diesem Fall auch darin besteht, den Unterschied zwischen akustischen und elektronischen Klängen verschwimmen zu lassen. Mit „System Reboot“, in dem ebenfalls Synthesizer hinzukommen, gelingt ihnen das gleichfalls. Die heterogenen Anteile ergänzen und verstärken sich. Alles im Dienste des Hörens.

Tim Caspar Boehme

Microtub: „Chronic Shift“ (Bohemian Drips)