Fehlende Regelungen bei Naturkosmetik: Das Chaos der Siegel

Die Branche wirbt mit Nachhaltigkeit und Bio-Qualität. Verbraucherschützer beklagen einen Gütelabel-Wildwuchs und fordern klare Regeln.

eine Hand führt einen grünen Lippenstift über einen roten Mund einer älteren Dame

Dieser Lippenstift ist zwar grün, aber deswegen noch lange nicht nachhaltig Foto: Karsten Thielker

Ein Hase, den eine Menschenhand streichelt, daneben eine Pflanze, aus der eine EU-Flagge blüht: Maskara, Shampoo und andere Naturkosmetikprodukte sind oft mit diversen Symbolen verziert. Sie versprechen nicht nur Wellness, sondern auch Nachhaltigkeit.

„Mit ihrem Bekenntnis zur Nachhaltigkeit liegen Firmen wie Weleda, Wala, Speick oder Primavera voll im Trend“, sagt die Branchenexpertin Elfriede Dambacher. „Viele Hersteller fördern den Wertewandel zu einem enkeltauglichen Umgang mit der Natur in ihrem ureigenen Interesse“, sagt die Inhaberin des Beratungsunternehmens Naturkosmetik-Konzept.

Das Geschäft mit Naturkosmetik boomt, vor allem bei jungen Leuten ist die Nachfrage groß. Laut Dambachers Branchenreport hat Naturkosmetik allein im Jahr 2018 in Deutschland mehr als eine Million neue Käufer:innen erreicht. Der Anteil am gesamten deutschen Kosmetikmarkt sei mit einem Umsatz von 1,3 Milliarden Euro auf 9,2 Prozent gestiegen.

Die Drogeriekette dm wirbt damit, dass man bei ihr „Naturkosmetik dauerhaft günstig online kaufen kann“. Stefan Siemer von Weleda erklärt: „Wir arbeiten gerade hart daran, besonders den Anteil von biodynamischen Rohstoffen stark zu steigern.“ Nachhaltigkeit hat sich auch die 1935 von Rudolf Hauschka gegründete Firma Wala auf die Fahnen geschrieben, sie wirbt zudem damit, dass alle Produkte „ohne Tierversuche entwickelt und hergestellt“ sind.

Aber wer blickt bei den ganzen Versprechen noch durch? Man wollte nur kurz einen Nagellack kaufen und steht dann verlegen vor dem Drogerieregal. Schließlich kauft man das Produkt einfach: So schlecht wird ein gestreichelter Hase nicht sein. Oder?

Produkte mit sieben Siegeln

Im Ringen um Käufer ist deren Vertrauen in Werbeaussagen der Naturkosmetikbranche von enormer Bedeutung. Deshalb lassen sich Firmen von als unabhängig geltenden Organisationen ihre Naturschutzbemühungen bescheinigen – natürlich gegen Bezahlung. Mittlerweile gibt es etliche solcher Siegel. Verbraucherschützer begrüßen zwar, dass Produktaussagen überprüft und bestätigt werden. Sie warnen aber vor einem zunehmenden „Label-Wirrwarr“. Neben international anerkannten Siegel-Vergebern – darunter Natrue, BDIH, Emas, UEBT und Ecocert – gibt es Trittbrettfahrer, die mit fantasievollen „grünen“ Verpackungen Naturfreundlichkeit vorgaukeln.

„Zudem heißt ‚pflanzlich‘ nicht automatisch ‚harmlos‘“, sagt Sabine Holzäpfel von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Auch in dem Bereich kann es Allergien geben.“ Genauere und verständlichere Angaben zu Inhaltsstoffen seien oft wünschenswert. „Vor allem aber fordern wir ein gesetzlich festgelegtes Kennzeichen mit verbindlichen Kriterien.“ Holzäpfel verweist auf den Lebensmittelbereich: Dort brauchen Anbieter, die ihre Produkte „bio“, „öko“ oder „aus kontrolliert biologischem Anbau“ nennen wollen, seit 2010 verpflichtend das EU-Bio-Siegel. „Ein solches Kennzeichen könnte auch Naturkosmetik-Kunden die Orientierung erleichtern.“

Um „gefühlten Umweltschutz“ zusätzlich einzudämmen, gründete die Biogarten Handels GmbH im Februar das Label „Geprüftes Naturkosmetik Fachgeschäft“. Es gilt für Geschäfte, nicht für einzelne Produkte. Es umfasst 50 Einzelkriterien. „Wichtig ist, dass es eine gute Beratung im Geschäft gibt“, sagt Stefan Danders, ­Marketingleiter bei Biogarten. Zumindest steht man dann nicht ganz so hilflos vor dem Regal – vielleicht ein erster Schritt. (mit dpa)

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.