Proteste in Hongkong: Merkel mahnt friedliche Lösung an

Beim Besuch in China hat Kanzlerin Merkel die Unruhen in Hongkong angesprochen. Wirtschaftliche Beziehungen machen das zum Balanceakt.

Der chinesische Premier Li Keqiang und Bundeskanzlerin Angela Merkel laufen an einer Reihe von Soldaten vorbei

Angela Merkel genießt hohes Ansehen in China – will es jedoch auch nicht verlieren Foto: reuters/Andrea Verdelli

Sie hat es getan. Kanzlerin Angela Merkel hat die Demokratie-Proteste in Hongkong gegenüber dem chinesischen Premierminister Li Keqiang angesprochen. Öffentlich. Die Kanzlerin forderte alle Beteiligten auf, von Gewalt abzusehen. Sie mahnte eine friedliche Lösung der Spannungen in Hongkong an und betonte, dass Grundsatzabkommen Großbritanniens mit China zur Übergabe der ehemaligen Kronkolonie gelte weiter. Deshalb müssten den Bürgern in Hongkong die ihnen zugesicherten „Rechte und Freiheiten“ gewährt werden.

Merkel begrüßte, dass die Hongkonger Regierung das umstrittene Gesetz für Auslieferungen nach China diese Woche komplett zurückgezogen hat. „Ich hoffe nun, dass die Demonstranten „im Rahmen bürgerlicher Freiheiten“ am Dialog teilnehmen können“, sagte Merkel.

Dass sie die Demokratie-Proteste in Hongkong gegenüber dem chinesischen Ministerpräsidenten ansprechen würde – damit hatten Beobachter gerechnet. Doch in welcher Form und wie vehement sie auch Forderungen an die chinesische Führung stellen würde – das war die spannende Frage.

Sie ist die erste Regierungschefin eines westlichen Landes, das seit Ausbruch der Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungszone vor knapp drei Monaten die Volksrepublik besucht. Die Erwartungen an sie sind groß. Führende Hongkonger Aktivisten hatten sie im Vorfeld ihrer Reise in einem offenen Brief um Unterstützung gebeten.

Bloß nicht verscherzen

Es handelt sich zwar um ihren inzwischen zwölften China-Besuch in ihrer Amtszeit. Es dürfte jedoch auch ihr schwierigster sein. Denn auf der einen Seite gibt sich die kommunistische Führung in Peking unerbittlich und gebieterisch; nicht nur gegenüber den Demokratie-Aktivisten in Hongkong, sondern gegenüber jeglichen Kritikern im In- und Ausland. China sieht sich inzwischen als Weltmacht. Und eine Weltmacht lässt sich von keinem anderen Land etwas vorschreiben – so zumindest ist die Denke in Peking. Auch deutsche Unternehmen, die in China tätig sind, haben die politische Einflussnahme der kommunistischen Führung zu spüren bekommen. Demnächst müssen sie sogar Parteizellen in ihren Unternehmen akzeptieren, die unmittelbar mitentscheiden dürfen.

Auf der anderen Seite hat wahrscheinlich kein anderes westliches Land von Chinas wirtschaftlichem Aufstieg so profitiert wie Deutschland. Für die deutsche Wirtschaft ist die Volksrepublik inzwischen der größte Handelspartner der Welt. Und diese enge wirtschaftliche Verwobenheit will Kanzlerin Merkel nicht aufs Spiel setzen – auch nicht wegen der Demokratie-Bewegung in Hongkong.

Nun hat sie in ihrer moderaten Art das heikle Thema angesprochen. Und zumindest am ersten Tag ihrer insgesamt dreitägigen Reis ist es nicht zum befürchteten politischen Eklat gekommen. Lächelnd aber bestimmt sagte der chinesische Premier, sein Land werde das „Chaos“ in Hongkong beenden. „Das wird im Rahmen der Gesetze geschehen“. China habe „die Weisheit“, das zu tun. Die Zentralregierung habe schon mehrfach bekräftigt, dass mit der chinesischen Sonderverwaltungsregion „auf der gesetzlichen Basis“ umgegangen werde.

Er klingt nicht vergrätzt. Chinas Drohung, die Volksbefreiungsarmee militärisch in Hongkong einmarschieren zu lassen, um die Proteste womöglich gar blutig niederzuschlagen, hat er damit zwar auch weiterhin nicht ausgeschlossen. Eine solche Intervention ist aus Sicht der chinesischen Führung auf der gegenwärtigen Rechtsgrundlage möglich, wenn die Hongkonger Regierung nicht mehr mit den Protesten fertig werden und die Zentralregierung um Hilfe bitten sollte. Zugleich bekräftigte Li Keqiang aber, Peking halte weiter an dem Grundsatz fest, dass die Hongkonger ihre eigenen Angelegenheiten regelten.

Geschätzte Merkel

Es ist das erste Mal überhaupt, dass sich ein so ranghoher Regierungsvertreter Peking konkret zu den Protesten geäußert hat. Bislang kamen die Drohungen von Regierungssprechern oder sie wurden in den staatlich kontrollierten Zeitungen geäußert. Auf ihre unaufgeregten und moderaten Weise ist es der Kanzlerin damit gelungen, den chinesischen Regierungschef zu einer Stellungnahme zu den Protesten in Hongkong zu bewegen.

Die Begrüßungszeremonie mit militärischen Ehren durfte Merkel sitzend absolvieren. Die chinesischen Gastgeber nahmen Rücksicht auf ihre Zitteranfälle, die sie in den vergangenen Monaten bei ähnlichen Anlässen mehrmals hatte.

Zugute kam ihr bei dem heiklen Thema Hongkong sicher Chinas Handelskrieg mit den USA. Angesichts der offenen Feindschaft, die US-Präsident Donald Trump mittlerweile pflegt, ist die chinesische Führung nicht daran interessiert, auch mit Europa in Konflikt zu treten, schon gar nicht mit Merkel, die im Vergleich zu anderen westlichen Regierungschefs in Peking besonders hohes Ansehen genießt.

Streitthemen gebe es zu Genüge. Nicht nur Trump, sondern auch in Deutschland mehren sich die Stimmen, die Chinas unfairen Umgang mit ausländischen Unternehmen beklagen, etwa den Zwang Technologien preiszugeben, wenn sie in China tätig sein wollen.

Seit Jahren bemüht sich die Bundesregierung um den Abschluss eines Investitionsschutzabkommens zwischen China und der EU, das solche Fragen regeln würde – bislang ohne Ergebnis. Begleitet wird die Kanzlerin von einer großen Wirtschaftsdelegation. Beim „Beratenden Ausschuss der deutsch-chinesischen „Wirtschaft“ am Freitagnachmittag sollen zumindest einige dieser Punkte verhandelt werden.

Zum Eklat ist es an ihrem ersten Tag von Merkels Besuch am Rande doch gekommen. Die chinesische Seite wollte den in China stationierten deutschsprachigen Korrespondenten den Zugang zur Pressekonferenz in der Großen Halle des Volkes verwehren. Die Begründung: Es gebe nicht genug Platz, lediglich die mitgereisten Journalisten erhielten Einlass. Nach Protesten wurden vier weitere Journalisten dann doch zugelassen. Sie durften aber nur eine Frage stellen.

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