US-Abzug aus Afghanistan: Welchen Preis hat der Frieden?

Platzt der US-Taliban-Abzugsdeal, wäre das tragisch. Aber steht das Land Afghanistan wirklich kurz vor dem Frieden? Die Antwort ist „Nein“.

Ein US-Marinesoldat nimmt am Militärstützpunkt Shorab in der Provinz Helmand an einem Militär-Manöver mit der afghanischen Armee teil

Den Amerikanern geht es vor allem darum, ihre Truppen nach 18 Jahren heimzuholen Foto: ap

Es scheint, als ob erneut ein Versuch zu scheitern droht, den vierzigjährigen Krieg in Afghanistan zu beenden. Platzt der US-Taliban-Abzugsdeal, wäre das tragisch. Denn alle Kriegsparteien können noch lange so weitermachen wie bisher, und die Zivilbevölkerung zahlt den Preis. Das zeigen die jüngsten Taliban-Bomben und die weit weniger beachteten US-Luftschläge, bei denen selbst die städtische afghanische Zivilgesellschaft, also die, die in den Medien Gehör finden, selten hinterfragt, wenn hinterher behauptet wird: „Zivilisten kamen nicht ums Leben.“

Aber stand das Land Afghanistan wirklich kurz vor dem Frieden? Die Antwort ist „Nein“. Vergessen wir allen spitzfindigen Diplomatensprech: Den Amerikanern geht es vor allem darum, ihre Truppen nach 18 Jahren aus einem „War-on-Terror“-Einsatz heimzuholen, der militärisch nicht zu gewinnen ist.

Ein Friedensschluss Taliban/Kabul wäre für sie ein hübsches Beiwerk, ist aber nicht notwendig. Deshalb haben sie Gespräche darüber an die afghanischen Fraktionen relegiert, für die Zeit nach ihrem eigenen Deal. Sie planen, so lange den Abzug schon mal zu beginnen. Geht das zu schnell und dauern diese Gespräche zu lange, könnte es das Kabuler System zusammenbrechen lassen, das ohne auswärtiges Militär und Geld nicht überleben kann.

Es gibt noch einen Haken: Innerafghanische Gespräche würden vielleicht den Krieg beenden. Allerdings könnte dabei eine Machtteilung herauskommen, die eine rückwärtsgewandte, antidemokratische bewaffnete Aufstandsbewegung und ein ebenfalls auf oft dubiose bewaffnete Kräfte gestütztes, an internationalen Hilfsgeldern parasitierendes Kriegsgewinnler-Regime (inklusive eigener Warlords und Islamisten), zusammenbringt – mit ein paar Frauen als Garnitur, die ebenfalls nicht unbedingt fraktionslos sein könnten.

Das könnte sogar die Spurenelemente der Demokratie in Frage stellen, die sich seit dem Jahr 2001 in Afghanistan entwickelt haben. Viele Afgha­n*innen fragen sich zurzeit, ob sie den Preis für einen solchen Frieden zahlen wollen.

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Mitbegründer des unabhängigen Think Tanks Afghanistan Analysts Network Kabul/Berlin (https://www.afghanistan-analysts.org/en/). Abschluss als Diplom-Afghanist, Humboldt-Univ. Berlin 1985. Erster Afghanistan-Aufenthalt 1983/84, lebte und arbeitete seither insgesamt mehr als 13 Jahre dort, u.a. als Mitarbeiter der DDR-, der deutschen Botschaft, der UNO und als stellv. EU-Sondergesandter. Seit 2006 freischaffend. Bloggt auf: https://thruttig.wordpress.com zu Afghanistan und Asylfragen. Dort auch oft längere Fassungen der taz-Beiträge.

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