Kleinanlegerin in der Psychofalle

Ja, die Gier. Man erinnert sich ungern an die eigenen niedrigen Gefühle. Wie das noch war, damals vor fünf Jahren, als ich als eine der wenigen Kleinanleger Infineon-Aktien bekommen hatte, im Losverfahren. Alle waren ganz wild auf das High-Tech-Unternehmen gewesen. „Gratulation“ hatte mein Finanzberater , Herr T., damals ins Telefon gebrüllt. „Sie haben Infineon-Papiere.“ – „Sofort wieder verkaufen!“, hatte ich zurückgerufen. Ich machte einen schönen Gewinn. Ich supercoole Kleinanlegerin. „Weibliche Intuition!“, hatte Herr T. meine Entscheidung gelobt und mir zum Einstieg in einen Fonds „Chance“ verholfen, mit hohem Aktienanteil.

Einige Monate später war Herr T. nicht mehr für mich zu sprechen. Er hatte sich versetzen lassen, von der Bankfiliale in Berlin-Charlottenburg in einen östlichen Randbezirk. Zufall soll das gewesen sein. Der DAX war da von seinen 8.000 Punkten abgestürzt und bewegte sich auf die 2.000 zu. Ein Finanzgenie war ich eindeutig nicht gewesen. Komisch, dass mir die Rechnung nicht schon früher aufgegangen war: Ist der Aktienkurs hoch, steigen alle ein, obwohl die Aktien dann teuer sind. „Paradoxes Verhalten“, so hatte mir das ein Kollege der Wirtschaftspresse erklärt. „Dienstmädchenhausse“, hatte mich auch Großonkel Wladi gewarnt, „wenn Hinz und Kunz Aktien kauft, dann darfst du nicht einsteigen.“ Doch da war ich schon drin.

Als der DAX auf 2.000 abgestürzt war, ich geb’s zu, verlor ich die Nerven. Mein Fonds „Chance“ wurde zu einem Fonds „Sicherheit“. Geringerer Aktienanteil.

Vor einigen Monaten rief mich Frau S. an, Finanzberaterin, Nachfolgerin von Herrn T. Ob man nicht das Portfolio wieder mit einem „höheren Aktienanteil“ ausstatten sollte, „jetzt, wo der DAX doch wieder stabiler nach oben weist“. – „Nein“, rief ich ins Telefon, „nicht schon wieder!“ Ich mach doch einen Fehler nicht zweimal. Hätte ich mal machen sollen. Heute steht der DAX bei fast 5.000. Schon wieder den richtigen Zeitpunkt verpasst.

GABY STRECKFUS