Aktivistin und VW-Chef im Streitgespräch: „Sie betreiben Greenwashing“

Der eine will Autos verkaufen, die andere die Automesse IAA blockieren. VW-Chef Herbert Diess diskutiert mit Autokritikerin Tina Velo.

Autokritikerin Tia Velo und VW-Chef Herbert Diess

Freundlich im Ton, hart in der Sache: Tina Velo und Herbert Diess Foto: Felix Schmitt

taz: Frau Velo, zivilen Ungehorsam kennt man in Deutschland bisher eher von Atommülltransporten oder Braunkohle-Tagebauen. Sie rufen jetzt dazu auf, die Internationale Automobilausstellung zu blockieren. Warum?

Tina Velo: Wir gehen dahin, wo der Klimawandel produziert wird, wo die Zerstörer sitzen. Hier trifft sich die Spitze der Autokonzerne, auch Herr Diess, um sich für ein Verkehrssystem von vorgestern zu feiern. Deswegen haben wir klar gesagt, wir müssen diesen Ort blockieren. Unsere Proteste sollen zeigen, dass es Widerstand gibt gegen diese Art und Weise, Mobilität herzustellen.

Es wurde die Sorge vor Randale und Sachbeschädigungen geäußert. Ist damit zu rechnen?

Velo: Sand im Getriebe ist eine Aktion zivilen Ungehorsams. Wir werden friedlich, ruhig und besonnen mit unseren Körpern blockieren. In unserem Aktionskonsens steht, dass die Sicherheit aller Beteiligten höchste Priorität hat. Wir wollen dafür sorgen, dass der Ablauf der Messe am Sonntag gestört wird, aber von uns wird dabei keinerlei Eskalation ausgehen.

Herr Diess, nachdem Mitte August bereits die Bahnstrecke am Wolfsburger VW-Werk blockiert wurde, gibt es bei der IAA jetzt zum zweiten Mal Protest gegen Ihr Unternehmen. Was sagen Sie zu der Kritik?

Herbert Diess: Als ich zum ersten Mal hörte, dass die IAA da im Fokus steht, war ich sehr überrascht. Ich habe mir gedacht: Mensch, die kommen viel zu spät. In der Tat kann man der Automobilindustrie natürlich viel vorwerfen, ich streite nicht ab, dass sie manchmal Impulse und Anschub braucht, darum freue ich mich auf den Dialog. Aber die Automobilindustrie hat die Zeichen der Zeit verstanden, sie ist im Wandel. Für uns ist Klimawandel das Hauptthema.

Was heißt das konkret?

Diess: Bei Volkswagen haben wir bei den Presse­tagen nur Elektroautos auf dem Stand. Und wir präsentieren mit dem ID3 ein Elektroauto, das bilanziell CO2-neutral hergestellt und an den Kunden übergeben wird, also mit einem guten Gewissen bewegt werden kann.

Der 60-jährige Ingenieur aus Österreich ist seit April 2018 Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG. Zudem ist er als Aufsichtsratsvorsitzender von Skoda, Seat und Audi sowie als Aufsichtsratsmitglied von Infineon tätig. Bevor er 2014 zu Volkswagen wechselte, arbeitete er bei Bosch und BMW. Seit 2018 setzt sich Diess stark für den Ausbau der Elektromobilität bei Volkswagen ein.

Velo: Stimmt, wir hätten vielleicht auch schon vor zehn Jahren protestieren können. Aber wir sind eben jetzt da, und ich glaube, wir kommen genau zum richtigen Zeitpunkt. Mir dreht sich der Magen um, wenn ich höre, die Autoindustrie hätte die Zeichen der Zeit verstanden. Im Portfolio von Konzernen wie VW stehen vor allem dicke, fette Geländewagen, absolute Klimakiller. Und daran wird sich in den nächsten Jahren überhaupt nichts ändern, wenn sie jetzt auch ein paar Elektroautos in Ihr Portfolio aufnehmen. Zudem hat VW mit dem Dieselskandal belogen und betrogen. Und Ihnen sollen wir jetzt die Vorreiterrolle abnehmen, wenn es um den Klimaschutz geht? Entschuldigung, ich finde das nicht glaubwürdig.

Die Mitinitiatorin und Sprecherin der IAA-Blockade-Aktion „Sand im Getriebe“ nutzt bei ihrer politischen Arbeit ein Pseudonym. Grund dafür ist nach ihren eigenen Angaben, dass sie im Zusammenhang mit früheren politischen Aktivitäten massiv bedroht worden ist.

Diess: Den letzten Punkt würde ich bestreiten, aber Sie haben einige richtige Punkte gemacht. Wir haben SUVs, wir leben vom konventionellen Autogeschäft. Aber wir haben vor, in den nächsten zehn Jahren etwa 50 Prozent unserer Flotte auf Elektrobetrieb umzustellen. Ich glaube, Sie täten uns unrecht, wenn Sie sagen, das ist ein Feigenblatt. Wir meinen das ernst. Das ist eine ganz große Herausforderung, denn wir müssen diesen Wandel so schaffen, dass wir einen Großteil der Arbeitsplätze in diesem Wandel erhalten und die Menschen mitnehmen.

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Frau Velo, sehen Sie die ganze Autobranche gleichermaßen als Feindbild, oder erkennen Sie an, dass Unternehmen wie etwa VW die Elektromobilität stärker in den Mittelpunkt rücken?

Velo: Man kann schon sagen, die gesamte Autoindustrie ist für uns problematisch. Aber wir differenzieren durchaus. Das ist auch der Grund, warum wir diesem Gespräch zugestimmt haben: Volkswagen ist der größte Autobauer der Welt, der als einzelner Konzern mit der Produktion und seinen Produkten 1 Prozent der globalen Treib­haus­gasemissionen verursacht. Und Volkswagen ist auch deswegen interessant, weil Sie persönlich und der Konzern für den Umschwung auf Elektromobilität stehen. Den möchte ich ein bisschen demaskieren. Denn das mag erst mal ökologisch klingen, ist es aber nicht.

Warum?

Velo: Die EU-Grenzwerte, an denen die Konzerne mitgeschrieben haben, sehen ab 2020 einen Grenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer vor. Elektroautos gelten dabei als CO2-neutral. Darum darf VW für jedes Elektroauto, das produziert und verkauft wird, einen SUV verkaufen, der das Doppelte dieses Grenzwertes hat. Mehr Elektroautos bedeuten also auch mehr dicke fette Verbrenner. Und man darf dabei nicht vergessen: Elektroautos sind eben nur lokal emissionsfrei. Im Moment stammt unser Strom aber zu 40 Prozent aus Kohle. Das ist alles andere als saubere Energie. Und dabei ist die ganze Produktion des Autos noch nicht mit inbegriffen. Das ist kein CO2-neutrales Produkt. Sie betreiben absolutes Greenwashing.

Die Automesse IAA in Frankfurt war jahrzehntelang der Ort, an dem Deutschlands mächtige Autoindustrie ihre Muskeln spielen ließ.

In diesem Jahr fiel die alle zwei Jahre laufende PS-Show dagegen in eine Phase wachsender Unsicherheit. Das liegt nicht nur an schärferen Klimavorschriften und den angekündigten Protesten von UmweltschützerInnen. Auch trübe Konjunkturaussichten machen der Branche zu schaffen.

Veranstaltet wird die Messe vom Verband der Deutschen Automobilindustrie. Bis zum 22. September findet sie auf dem Frankfurter Messegelände statt. Am Donnerstag öffent sie für Fachbesucher, ab Samstag für die allgemeine Öffentlichkeit.

Unabhängig vom Widerstand der AutokritikerInnen steckt die IAA in der Krise. Die Zahl der Aussteller ist von 1.000 im Jahr 2017 auf nur noch 800 zurückgegangen.

Diess: Da würde ich schon gerne vehement widersprechen. Wir versuchen, alle Techniken weiter im CO2-Ausstoß zu reduzieren. Das gelingt auch, aber eben graduell. Der wirkliche Durchbruch gelingt mit der Elektromobilität. Über den gesamten Lebenszyklus, von der Entstehung des Produkts einschließlich der Herstellung und der Batterien, kann man etwa 50 Prozent CO2-Reduzierung erreichen. Das ist wissenschaftlich geprüft.

Mit welchem Strommix rechnen Sie da?

Diess: Voraussetzung ist dann natürlich, dass es emissionsfreier Strom ist. Wir haben CO2-freien Strom in den nordischen Staaten praktisch flächendeckend, auch in der Schweiz, in Österreich, in Frankreich. Und wir haben eine deutliche Ausweitung des regenerativen Stroms auch in Deutschland. Die kommt aber zu langsam, da brauchen wir mehr Engagement. Aber dann ist das Elektrofahrzeug mit Abstand der beste Weg für individuelle Mobilität. Bei unserem neuen ID3 schaffen wir es darüber hinaus durch Kompensationsprojekte, durch Investitionen in Aufforstungen, ihn dem Kunden so zur Verfügung zu stellen, dass er wirklich reinen Gewissens CO2-frei fahren kann.

Herr Diess, VW hat bei der IAA schon öfter klimafreundliche Autos angekündigt: Vor 20 Jahren wurde hier der 3-Liter-Lupo vorgestellt – der wurde sechs Jahre später eingestellt. Vor 10 Jahren wurde dann das 1-Liter-Auto XL1 als Serienversion angekündigt – gebaut wurden ganze 200 Stück. Warum sollen wir Ihnen glauben, dass es diesmal anders ist?

Diess: Das ist ein sehr guter Hinweis. Die Gefahr steht mit Sicherheit auch diesmal im Raum, weil wir in der ganzen Betrachtung natürlich den Kunden sehen müssen. Wenn der ein Fahrzeug wie den 3-Liter-Lupo nicht haben will, haben wir in unserem System keine Chance. Das kann auch beim Elektroauto passieren, weil das zunächst mal auch Nachteile hat. Wir müssen laden, wir brauchen eine Infrastruktur. Und Elektroautos sind teurer. Deswegen wird der Umschwung nur gelingen, wenn wir es schaffen, eine koordinierte Vorgehensweise mit der Bundesregierung und den Städten hinzubekommen. Sonst besteht die Gefahr, dass wir wieder so enden wie vor 10 oder 20 Jahren, mit einem bloßen Slogan, aber es geht am Kunden vorbei.

Velo: Die Antwort ist wesentlich einfacher: Die Profitmarge ist bei Autos wie dem 3-Liter-Lupo einfach zu klein. Bei einem Geländewagen wie dem Tiguan – das ist inzwischen das meistverkaufte VW-Modell – ist die Gewinnmarge einfach deutlich höher.

Gegen die Automobilmesse IAA finden in diesem Jahr erstmals in größerem Rahmen Proteste statt.

Unter dem Motto „Aussteigen!“ sind am Samstag, 14. September, dem ersten Publikumstag, sind mehrere Demonstrationen geplant, zu denen unter anderem ADFC, BUND, Campact, Greenpeace und VCD gemeinsam aufrufen.

Eine Fahrradsternfahrt führt aus mehreren umliegenden Orten auf Frankfurt am Main zu. Gemeinsame Ankunft ist um 14.30 Uhr vor dem IAA-Gelände. Dort endet auch der Demonstrationszug für alle, die zu Fuß unterwegs sind. Sie treffen sich um 11.30 Uhr zur Auftaktkundgebung an der Hauptwache.

Im Aufruf zu den Demonstrationen wird unter anderem ein sofortiger Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor, ein Tempolimit und „effiziente Elektromobilität statt E-SUVs“ gefordert.

Das Bündnis „Sand im Getriebe“ will dann am Sonntag die Zugänge zur Messe mit einer Aktion zivilen Ungehorsams blockieren. Unterstützt wird die Aktion unter anderem von Ortsgruppen der Braunkohleblockierer von Ende Gelände und der Klimabewegung Extinction Rebellion sowie dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac.

Polizei und Messeleitung haben die Sicherheitsvorkehrungen wegen der geplanten Proteste verschärft. Die Polizei werde entsprechend stark vor Ort sein, sagte ein Polizeisprecher. Die Einsatzkräfte würden reagieren, wenn Aktivisten „sich oder andere in Gefahr bringen“. (mkr)

Die Statistik zeigt tatsächlich, dass sich die Produktion von SUVs bei Volkswagen in den letzten zehn Jahren vervierfacht hat. Zuletzt war fast jeder dritte VW ein SUV oder Geländewagen. Die brauchen mehr Platz, stoßen mehr CO2 aus und sind bei Unfällen gefährlicher. Ist das in der heutigen Zeit eine vernünftige Modellpolitik, Herr Diess?

Diess: Frau Velo sagt, wir bauen die, damit wir Gewinne machen. Da sage ich: Ja. Denn wir brauchen etwa 4 bis 5 Prozent Gewinnmarge, um Zukunftsinvestitionen überhaupt tätigen zu können. Es stimmt, dass die Wagen schwerer sind, zum Teil etwas mehr Spritverbrauch haben. Aber mit ihnen hat man nicht mehr Unfälle als mit anderen Fahrzeugen.

Velo: Es finden nicht mehr Unfälle statt, aber die Folgen eines Unfalls sind deutlich schlimmer.

Diess: Das würde ich so nicht akzeptieren. Denn die Sicherheitsausstattung der Fahrzeuge ist ja sehr vergleichbar. Und durch die Intelligenz, die ins Auto kommt, werden Verkehrsunfälle in Zukunft stark zurückgehen. Das Auto wird damit viele Kritikpunkte, die Sie heute zu Recht ins Feld führen, verlieren. Was bleibt, ist der hohe Flächenverbrauch. Und deswegen muss man in der Stadt mit Sicherheit zu anderen Konzepten finden.

Wie könnten die aussehen?

Diess: Wir machen zum Beispiel in Hamburg einen Versuch mit Moia, um Fahrten zu bündeln. Das ist ein Shuttle-Service mit Kleinbussen, die elektrisch fahren. Die können Sie über eine App buchen. Normalerweise fahren 1,4 Tonnen Stahl durch die Stadt, um 1,2 Personen zu transportieren. Bei Moia wollen wir vier, fünf, sechs Personen für eine gemeinsame Fahrt zusammenbringen. Und in Berlin haben wir begonnen mit Carsharing mit rein elektrischen Autos. Auch das führt zu einer Reduzierung des Parkplatzbedarfs.

Velo: Das klingt alles sehr schön. Aber diese neuen Dienstleistungen verdrängen in der Regel nicht das Auto. Viele Menschen, die so ein Carsharing-Auto nehmen, hätten sonst das Fahrrad oder den Bus genommen. Insofern schafft das eher noch mehr Verkehr. Stattdessen braucht es eine ganz klare Politik, die das Auto zurückdrängt. Wir könnten wahrscheinlich mit 10 Prozent des derzeitigen Bestands an Autos auskommen.

In Berlin kann ich mir das gut vorstellen, da braucht man kein Auto. Aber auf dem Land kann das ganz anders aussehen. Vertreten Sie da nicht eine reine Großstadtperspektive?

Velo: Ich verstehe diesen Vorwurf. Als Sand im Getriebe sagen wir ganz deutlich, dass die Verkehrswende in den Städten jetzt beginnen könnte. Wir könnten die Städte autofrei machen – dazu müssen die Alternativen massiv ausgebaut werden. Die meisten Menschen auf diesem Planeten werden in Zukunft in Städten leben, das heißt, da müssen wir mit der Problemlösung beginnen. Ich glaube erstens, dass die paar Fahrten auf dem Land dann nicht so das Problem sind. Und zweitens kann ich mir da Lösungen vorstellen, etwa mit Rufbussen. Klar ist: Man muss Menschen Mobilität ermöglichen. Dafür braucht es kreative, demokratische Lösungen.

Diess: Es freut mich, dass sie die Mobilität an sich nicht infrage stellen. Der Mensch braucht Mobilität, das gehört zu seinem Leben dazu. Und das halten wir auch für das Entscheidende, dass wir Mobilität gewährleisten. Für uns ist in Zukunft nicht mehr so wichtig, kauft der ein Auto bei uns, mietet er das für ein Jahr oder mietet er es für Stunden oder Minuten oder teilt er das.

Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir spätestens 2050 klimaneutral sein, für das 1,5-Grad-Ziel noch deutlich eher. Um das zu schaffen, dürften 2025 oder spätestens 2030 keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden. Sie streben für 2025 aber erst einen Elektroanteil von 25 Prozent an. Reicht das?

Diess: Ich glaube schon. Der Verkehrssektor ist natürlich einer der kompliziertesten. Aber wir haben wahnsinnig viel Potenzial, mehr zu erreichen in anderen Sektoren. Sie können heute noch eine Tonne CO2 weltweit kompensieren für zwei, drei, vier Euro. Im Verkehrssektor geht es heute in die Tausende Euro.

Aber am Ende müssen die Emissionen in allen Sektoren auf null sein, wenn wir das Ziel erreichen wollen.

Diess: Um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, müssen wir bis spätestens 2050 CO2-neutral sein. Wir müssen dramatisch aufforsten. Wir können das schaffen. Aber was mir am meisten Sorge macht, ist, dass zum Stand jetzt immer noch 1.000 Kohlekraftwerke im Bau oder Planung sind. Da müssen wir uns aus meiner Sicht politisch stärker engagieren, weil wenn das passiert, haben wir keine Chance.

Velo: Sie lenken ab. Der Verkehr trägt 18 Prozent zu den Emissionen in Deutschland bei. Und es ist der einzige Sektor, wo die Emissionen bisher nicht gesunken sind.

Wenn Sie sagen, wir müssen 2050 klimaneu­tral sein: Wann läuft dann der letzte VW mit Verbrennungsmotor vom Band?

Diess: Ich glaube, es ist wahrscheinlich zu weit, diese 50 Jahre zu planen, weil da natürlich vieles unvorhersehbar ist. Der erste wichtige Schritt ist jetzt, dass Elektromobilität funktioniert. Dass wir bis 2021 an die 10 Prozent kommen, 2025 an die 20 Prozent und 2030 dann etwa die Hälfte. Dann müssen die anderen Technologien wie Wasserstoff oder die Brennstoffzelle so weit sein.

VW-Chef Diess in der Knie vor VW-Elektroauto

VW setzt aufs E-Auto: Chef Herbert Diess präsentiert am vergangenen Montag das neueste Modell Foto: dpa

Velo: Dass Sie sagen, man kann jetzt nicht für die nächsten 50 Jahre planen, finde ich wirklich schockierend. Denn genau das müssen wir machen. Die Szenarien liegen vor.

Herr Diess, Sie haben gesagt, dass es in den Städten künftig weniger Autos geben wird. Zudem ist die Herstellung von Elektroautos weniger arbeitsintensiv. Was wird denn dann aus Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?

Diess: Wir glauben, dass das Auto in der neuen Welt noch eine große Zukunft hat. Wir argumentieren sehr stark aus der deutschen Großstadt heraus. Aber Sie müssen einfach sehen, dass die Welt in China, in Afrika oder Indien noch unglaublich viel Mobilitätsbedürfnis hat. Und es muss das Ziel sein, diese Mobilisierung, die dort stattfinden wird, so klimaneutral wie möglich darzustellen.

Frau Velo, Sie gehen ja von sehr viel weniger Autos aus. Was soll dann aus den Leuten werden, die bisher in der Autoindustrie relativ sichere, gut bezahlte Jobs haben?

Velo: Ich finde das eine total zentrale Frage. Uns als Sand im Getriebe ist es total wichtig, dass sich unser Protest nicht gegen die Beschäftigten richtet. Ich würde die Transformation gern mit den Beschäftigen selbst besprechen, da sitzt nämlich das Know-how. Ein Beispiel: Wir brauchen Elektroautobusse in den Innenstädten, das könnte Volkswagen sehr gut herstellen. Daneben sind Umschulungen sehr wichtig. Wir werden Busfahrerinnen und Busfahrer brauchen, Pflegerinnen und Pfleger, Erzieherinnen. Das sind Berufe, die auch einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen, die müssen auch aufgewertet werden.

Das wäre dann aber eher eine Aufgabe für die Politik als für die Konzerne.

Velo: Die Politik müssen war ganz klar auch in die Verantwortung nehmen, das sagen wir als Sand im Getriebe auch. Herr Scheuer ist nichts anderes als ein Autoverkaufsminister.

Was wäre das Wichtigste, das Sie sich von der Politik wünschen?

Diess: Ein klares Bekenntnis zur Elektromobilität, klare Förderung der Ladeinfrastruktur und steuerliche Anreize, die dafür sorgen, dass sich auch ein mittleres Einkommen ein Elektroauto leisten kann.

Velo: Da haben wir fast einen Konsens – aber nur vermeintlich. Ein klares Bekenntnis zur Elektromobilität will ich auch. Aber dahinter verbirgt sich für mich die Straßenbahn oder der Elektroautobus, der die Leute kostenfrei in die Innenstadt fährt. Denn Sie meinen mit Elektromobilität nur Elektroautomobilität.

Diess: Wir stehen schon für beide Welten. Bei Elektrobussen sind wir spät dran, das muss ich zugestehen. Aber wir kommen. Wir können uns dann in einem Jahr mal wieder treffen.

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