Linken-Parteichef über die Wahlschlappe: „Eine schwierige Phase“

Wie kam es zu dem Misserfolg im Osten für die Linke? Bernd Riexinger will neue WählerInnen suchen und setzt trotz allem auf die Wahl in Thüringen.

Bernd Riexinger guckt traurig nach unten

„Die eine geniale Idee, wie wir ganz schnell wieder nach oben kommen, wird es nicht geben“ Foto: dpa

taz: Herr Riexinger, die Linkspartei hat in Sachsen und Brandenburg die schlechtesten Ergebnisse ihrer Geschichte erzielt. Ist sie als Ostpartei Geschichte?

Bernd Riexinger: Wir werden uns nicht mit diesem Ergebnis abfinden, wir haben in Thüringen Chancen, den Ministerpräsidenten zu verteidigen. Aber wir müssen realisieren, dass wir dringend neue Wählergruppen dazugewinnen müssen.

Weil Sie viele im Osten an die AfD verloren haben?

Das Wahlergebnis zeigt leider, dass wir in alle Richtungen verloren haben. Wir haben in Brandenburg deutlich mehr an die Grünen und die SPD als an die AfD verloren, in Sachsen an die CDU, an die AfD und an die Grünen. Das Bild ist bunt.

Trotzdem hat die AfD Ergebnisse, von denen Sie nur träumen können.

Mit der Wahl der AfD wollten die Leute den etablierten Parteien einen mitgeben. Zudem hat die AfD für sie eine Funktion: Manche wollen tatsächlich weniger Ausländer oder einen autoritären, nationalistischen Staat.

63, ist Co-Parteichef der Linkspartei.

Wo sehen Sie die Gründe für Ihr eigenes Scheitern?

Wir sind zum einen taktischem Wählen zum Opfer gefallen. Diejenigen, die die AfD als stärkste Partei verhindern wollten, haben CDU oder SPD gewählt.

Damit schieben Sie die Verantwortung weg von der Linkspartei hin zu den WählerInnen.

Das reicht natürlich als Erklärung nicht aus. Wir machen als Partei ein schwierige Phase durch und leiden im Osten unter einer Mobilisierungsschwäche. Im Unterschied zum Westen sind wir hier stark überaltert. Wir müssen alle Kraft darauf verwenden, bei den jungen und mittleren Altersgruppen stärker zu werden.

Mehr als zwei Drittel der WählerInnen haben der Linkspartei bescheinigt, ihr fehlten politische Ideen.

Im Gesamten haben wir Konzepte geliefert: beim Verkehr, der Pflege, dem Mieterschutz, dem sozialökologischen Umbau und Klimaschutz. Wir müssen uns da nicht neu erfinden.

Das kam aber offenbar nicht an.

Manchen dieser zukunftsentscheidenden Fragen müssen wir uns stärker zuwenden. Wir dürfen aber auf keinen Fall die Frage der sozialen Gerechtigkeit und Themen wie den Klimaschutz gegeneinander ausspielen, das gehört für uns zusammen. Wir treten ein für die Mehrheit der Lohnabhängigen, für Ärmere und prekär Arbeitende. Aber wir stellen uns den Herausforderungen der Zukunft.

Braucht es einen Sonderparteitag, um das inhaltlich festzuklopfen?

Ich glaube nicht, dass wir das durch einen Sonderparteitag lösen. Wir brauchen eine breite Debatte in unserer Partei, wir brauchen Foren, in denen die Strategiediskussion stattfindet. Aber es gibt keinen schnellen Weg. Die eine geniale Idee, wie wir ganz schnell wieder nach oben kommen, wird es nicht geben. Wir haben eine Menge komplexer Fragen zu behandeln. Wir stellen uns der Herausforderung, die Linke zukunftsfähig aufzustellen.

Katja Kipping hat angekündigt, sich über eine Neuaufstellung verständigen zu wollen. Gibt es personelle Konsequenzen?

In der Fraktion wählen wir im November eine neue Doppelspitze. In der Partei werden wir nicht die Nahles machen: keine Schnellschüsse. Wir haben im Sommer 2020 einen Parteitag, dann endet unsere Amtsperiode. Wie wir uns selbst entscheiden, werden wir uns in den nächsten Monaten überlegen. Jetzt konzentrieren wir uns darauf, die Wahlen in Thüringen zu gewinnen. Danach wird Bilanz gezogen.

Sie wollen die Debatte bis nach Thüringen deckeln?

Die inhaltliche Debatte muss geführt werden. Aber wir dürfen uns nicht in innerparteilichen Machtkämpfen zermürben. Es muss einen solidarischen Umgang sowohl mit Wahlgewinnen als auch mit Wahlverlusten geben. Wenn wir das schaffen, ist mir um die Zukunft unserer Partei nicht bange.

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