„Dann will ich, dass du dich verpisst“

Die Göttinger Punkband Deutsche Laichen ist angetreten, um Männerdominanz im Punk zu korrigieren. Bassistin Carla und Gitarristin Bi über Macker, Gegröle und Politik

Grölen gern: Bassistin Carla, Sängerin Krätze und Gitarristin Bi Fotos: Sophia Roßberg

Interview André Zuschlag

taz: Deutsche Laichen, warum noch Punk?

Bi: Gute Frage. Wir können nichts anderes, zumindest ich. Punk ist quasi emanzipatorische Praxis, sich Raum zu nehmen. Auch wenn Punk ja nicht gerade in Mode ist.

Deutschpunk ist immer noch eine Männerdomäne. Ihr wollt da also bewusst gegensteuern?

Bi: Für mein Punk-Verständnis passt es überhaupt nicht, dass die Szene so männlich dominiert ist. Eine Szene voller Typen, ob in den Bands, Orga-Gruppen, in den Fanzines, beim Produzieren oder Aufnehmen – das muss ja nicht sein. Da sollen alle mitmachen können. Da ist einfach ein Fehler unterlaufen und der soll korrigiert werden.

Euch gibt es seit vier Jahren. Hat sich seitdem diesbezüglich etwas verändert?

Bi: Wir haben jetzt gerade ein paar Shows mit größeren Bands gespielt und viele suchen jetzt explizit FLINT*-besetzte Bands. Da kann man jetzt sagen, das ist eine gönnerhafte Geste. Aber man kann es auch so lesen, dass man den Support der Vertreter der bestehenden Strukturen braucht. Also, dass sie Platz machen. Andererseits kommen auch immer mal wieder Konzert­anfragen rein, wo schon deutlich wird, dass man da nur den Schein wahren will.

Mit demselben Anspruch hatten sich in den 90ern Riot Grrrl-Bands gegründet – das hat offenbar nicht gefruchtet, oder?

Bi: Es ist eine Nische geblieben. Finde ich traurig. Viele haben gesagt: Es gibt Punk und es gibt Frauen-Punk, es gibt Punk und es gibt Riot Grrrl. Da haben FLINT*-Personen genauso viel zu suchen wie Typen! Das ist ein grundsätzlicher Fehler.

Ihr werdet als „feministische Queer-Deutschpunk-Band“ angekündigt.

Bi und Carla, 27 und 31, spielen bei Deutsche Laichen Gitarre und Bass. Bi hat die Band 2015 in Göttingen mitgegründet. Carla stieß einige Monate später zur Band.

Carla: Das Label haben wir uns nie gegeben. Wir haben uns ja auch irgendwann gegen das „Riot-Grrrl“ als Selbstdarstellung entschieden und „Pöbel-Punk“ geschrieben, weil wir das nicht reproduzieren wollen.

Pöbeln: Man hört eurer Musik an, dass ihr ziemlich wütend seid. Aber beim dritten Durchhören kommt der Eindruck, dass ihr beim Spielen und Singen und Schreien auch eine Menge Spaß habt.

Carla: Wir wollen der Wut keinen Abbruch tun, aber wir wollen auch Spaß haben, klar. Ich kann mich nicht auf die Bühne stellen und nur wütend sein. Gleichzeitig sind aber auch immer ziemlich viele Leute überrascht, wie wütend wir sind.

Bi: Viele Punkbands, die über Ungerechtigkeiten singen, sind wütend. Uns ist aufgefallen, dass bei uns viele irritiert sind. Bei Männern ist das normal. Wir haben Spaß, aber das ist alles todernst. Wir verpacken die Wut nur manchmal nett oder haben Sequenzen, die lustig sein sollen. Das ist unser Zugang, mit den Themen umzugehen.

Ist das auch bei eurem Song „Emanzenlesbenschlampe“ so gemeint? Da wird eine dreifache Beleidigung zu einer Selbstbetitelung.

Bi: Wir sehen es eher als Selbstermächtigung! Nach dem Motto: Nenn’mich so, beleidige mich so – ist mir scheißegal. Ich stehe dazu.

In einem eurer Songs heißt es: „Du erklärst mir die Welt, du dummer Macker/ Ich wollte dich abholen, wo du bist/ Aber jetzt will ich, dass du dich verpisst“. Geht es ums Konfrontieren oder wollt ihr zum Nachdenken anregen?

„Eine Szene voller Typen, ob in den Bands, Orga-Gruppen, in den Fanzines, beim Produzieren oder Aufnehmen – das muss ja nicht sein“

Carla: Es ist nicht unser Job, einem Macker zu erklären, was er nicht tun soll.

Bi: Der Gedanke ist: Wir sind ja drin im Thema, bewegen uns in unserer Blase. Und ich will dich ja abholen, wo du bist. Ich frage nach, was du meinst, wenn du sagst, Feminismus braucht keiner. Aber irgendwo kommt der Punkt, wenn du zu ignorant oder arrogant bist, dann will ich, dass du dich verpisst.

Carla: Politische Selbstbildung ist eine Aufgabe an sich selbst, das ist nicht Aufgabe einer Punkband.

Bi: Aber Kunst ist ein guter Politisierungsmoment. Man kann als Band Aha-Momente kreieren oder irritieren. Aber dafür gibt es kein Handbuch, da muss man selbst checken, was da gemeint ist.

In euren Texten geht es um Macker, Bullen und Deutschland, aber in den Texten findet sich nichts gegen den Kapitalismus. Wie kommt das?

Carla: Der Kapitalismus schwingt überall mit. Wenn man gegen Polizei singt, singt man gegen staatliche Gewalt und die ist im kapitalistischen System eingebettet.

Für euch ist die Band ein politisches Projekt, ihr schreit viel politische Parolen. Ist die Musik nur Mittel zum Zweck?

Carla: Ohne die Inhalte würde ich das nicht machen.

Bi: Als wir die Band gegründet haben, war sofort klar, dass es politisch sein muss. Daraus ziehen wir auch Energie für die Band. Wir müssen darin persönlich einen Zweck sehen, weil die Band natürlich auch viel Energie zehrt. Aber die Waage zwischen Musik und Politik ist für uns ausgeglichen.

Carla: Wenn nach den Konzerten Leute zu uns kommen und sagen, dass sie uns voll empowernd fanden, dann sind das die schönsten Momente für uns.

Deutsche Laichen: Deutsche Laichen, LP, Zeitstrafe, 13,99 Euro