Stoiber, der Frustrierte aus dem Süden
: KOMMENTAR VON RALPH BOLLMANN

Schlimmer kann es für die CDU-Kanzlerkandidatin kaum noch kommen. Erst tat der bayerische Ministerpräsident, was Wahlkämpfer tunlichst zu vermeiden haben: Er nannte eine Prozentzahl, die Angela Merkel bei der Wahl am 18. September gefälligst zu erreichen hat. Dann beschimpfte er „frustrierte“ Wähler in Ostdeutschland, die stets den falschen Kanzler wählten.

Was will Stoiber? Schon immer war es das höchste Ziel der CSU auch bei Bundestagswahlen, in ihrem Stammland möglichst stark zu bleiben – ohne Rücksicht auf CDU-Verluste andernorts. Das hilft der CSU bei ihrem Kerngeschäft, der bayerischen Landespolitik; und es sichert ihren Einfluss auf dem zweitwichtigsten Schauplatz, der Berliner Bundespolitik.

Oder hat Stoiber die Hoffnung aufs Kanzleramt womöglich doch nicht aufgeben? Wenn der CSU-Chef in Bayern glanzvoll siegt und Merkel das von Stoiber gesetzte Ziel vor allem im Osten weit verfehlt, würde sich damit nicht eine Chance eröffnen, an der Spitze einer großen Koalition doch noch zum ersten CSU-Kanzler der deutschen Geschichte zu avancieren? Stoiber hat die Verletzungen aus dem Wahlkampf vor drei Jahren noch immer nicht verwunden. Aus seiner Äußerung über die „Frustrierten“ im Osten spricht der ganze Frust eines Mannes, der sich um die Früchte seiner politischen Karriere betrogen sieht. Erst von den Wählern in Ostdeutschland, die nach Meinung vieler Wahlforscher 2002 die knappe Niederlage Stoibers verursachten. Dann von der Ostdeutschen Merkel, der die Kanzlerkandidatur durch Schröders Neuwahlcoup kampflos zufiel.

Stoiber übersieht, dass sein vermeintliches Problem mit dem Osten eher ein Problem mit dem Norden ist. Die Wahl 2002 verlor er nicht nur zwischen Gera und Greifswald, sondern auch in Hamburg und Hannover. Dort war der Mann, der Bayern über alles stellt, auch im CDU-Milieu schwer vermittelbar. Wie sagte er selbst? „Wir haben leider nicht überall so kluge Bevölkerungsteile wie in Bayern.“ Es wäre das Klügste, Stoiber würde sich in Zukunft auf Bayern beschränken.