Das war auch
: Am Riff gestrandet

„Der Tunnel hat jetzt ein weiteres großes Problem“

Leif Miller, Nabu

Die schlechten – aber irgendwie auch guten – Nachrichten zum teuersten und sinnlosesten Verkehrsprojekt in der Europäischen Union häufen sich. Das Finanzkonzept des Fehmarnbelt-Tunnels wackelt schon lange heftig, im Juli wies ein Verkehrsgutachter den fehlenden Bedarf für die 18 Kilometer lange Straßen- und Schienenverbindung auf dem Grund der Ostsee nach, und jetzt liegen auch noch streng geschützte Riffe im Weg. Das belegte am Donnerstag der Naturschutzbund (Nabu). „Der Tunnel hat jetzt ein weiteres großes Problem“, sagt Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Eine im Auftrag des Nabu vorgenommene Biotopkartierung hat ergeben, dass der Ostseeboden in dem Seegebiet zwischen Deutschland und Dänemark nicht aus Schlick und Sand besteht, wie die Umweltverträglichkeitsstudie für die Planfeststellung besagt. Tatsächlich gebe es vor dem Fährhafen Puttgarden auf Fehmarn, wo der Tunnel auf deutscher Seite beginnen soll, mehrere Quadratkilometer große und artenreiche Riffe, sagte der Leiter für Meeresschutz beim Nabu, Kim Detloff.

Demnach kommen von 17 rifftypischen Arten allein neun im Fehmarnbelt vor. Dort fänden sich Tange, Schwämme, Moostierchen, Muscheln, Großkrebse und „eine extrem hohe Dichte an Plattfischen, die wir sonst in der Ostsee nicht so haben“, sagt Nabu-Meeresschutzexpertin Anne Böhnke-Henrichs. Solche „Oasen der Meere“ seien durch das Bundesnaturschutzgesetz und die europäische FFH-Richtlinie streng geschützt. „Der ökologische Schaden im Fall eines Tunnelbaus muss neu bewertet werden“, fordert Detloff.

„Wir sehen hier ganz klar einen Verstoß sowohl gegen deutsches als auch gegen europäisches Recht“, sagt Böhn­ke-Henrichs. Dies werde nun vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geklärt. Dort hatte der Nabu im Mai Klage gegen den Ende 2018 erlassenen Planfeststellungsbeschluss eingereicht.

Auf das mögliche Vorhandensein von Riffen habe man die Behörden frühzeitig aufmerksam gemacht, sagt Böhnke-Henrichs. Dass sich dieser Verdacht nun bewahrheite, stelle die von der staatlichen dänischen Realisierungsgesellschaft Femern A/S in Auftrag gegebenen Gutachten „grundsätzlich infrage“. Die indes sieht keinen neuen Sachstand, deshalb gebe es keinen Grund, „die Planfeststellung anzuzweifeln“, so Femern-Sprecherin Inga Karten. Das wird das Leipziger Bundesgericht zu klären haben.

Sven-Michael Veit