Bremens Parlament wird queerer: Es ist noch nicht gut so

R2G in Bremen will einen „Queerpolitischen Beirat“, damit der Landesaktionsplan umgesetzt wird. Es fehlt an Beratung, Weiterbildung – und Geld.

CSD-Straßenumzug in Bremen.

Hilft in Sachen Akzeptanz in Bremen weiter: Der Christopher Street Day, hier im Jahr 2018 Foto: Wikimedia Commons

BREMEN taz | Die Bremische Bürgerschaft soll einen queerpolitischen Beirat bekommen. Das beantragt die Grünen-Fraktion – und bekommt dafür Unterstützung aus der Linkspartei und der SPD, aber auch der Queerszene. „Wir finden das gut“, sagt Reiner Neumann, der seit 1995 im Vorstand des Rat&Tat-Zentrums aktiv ist: „Es gibt noch viel zu tun.“ Er fordert zum Beispiel eine „von möglichst vielen Seiten getragene Akzeptanz-Kampagne“, die fortsetze, was die Community selbst mit dem nun auch in Bremen wieder regelmäßig stattfindenden CSD begonnen habe.

Zwar hat der rot-grüne Senat schon 2014 einen Landesaktionsplan gegen Homo-, Trans- und Interphobie beschlossen, dessen Umsetzung vergangenes Jahr evaluiert wurde. „Da ist enorm viel passiert“, sagte Henrike Müller von den Grünen seinerzeit im Parlament, und auch Sofia Leonidakis – damals noch Oppositionspolitikerin – fand, dass da in Bremen „viel in Bewegung“ sei.

„Aber noch immer haben queere Menschen nicht die gleichen Rechte, werden noch immer nicht überall gesellschaftlich akzeptiert und werden auch noch immer nicht in allen Regelstrukturen von Schule bis Krankenhaus mitgedacht“, sagt die queerpolitische Sprecherin der Grünen, Kai Wargalla, heute. „Das müssen wir ändern.“

Wargalla will nicht alle zwei Jahre „ein Spotlight“ im Parlament, wenn es wieder mal über die Umsetzung des Landesaktionsplanes debattiert, sondern eine „engmaschige Begleitung“. Dabei vertraut sie nicht allein auf die bestehenden Ausschüsse und Deputationen in der Bürgerschaft. Der Queerpolitische Beirat soll zusammen mit den Akteur*innen auf die konsequente Umsetzung des Landesaktionsplanes achten und dazu Vertreter*innen vom Rat&Tat-Zentrum, den Vereinen Trans*recht e.V. und Intersexuelle Menschen e.V. oder dem Lesben- und Schwulenverband (LSVD) versammeln.

Reiner Neumann, Vorstand im Rat&Tat-Zentrum

„Queerpolitik ist ein Querschnittsthema und soll in alle Lebensbereiche Eingang finden“

Dort würde man den Beirat „grundsätzlich sehr begrüßen“, wie LSVD-Landesvorsitzender Benjamin Rottmann sagt – vor allem dann, wenn er die Vielfalt der queeren Community widerspiegele und „keinen Selbstzweck in einer Alias-Funktion erfüllt, sondern eine direkte Anbindung an Bürgerschaft und Verwaltung hat und Gehör findet“. Überdies sieht der rot-grün-rote Koalitionsvertrag eine queerpolitische Koordinierungsstelle im Senat vor – deshalb sei es sinnvoll, auch einen entsprechenden Beirat zu haben, so die queerpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Antje Grotheer.

„Queerpolitik ist ein Querschnittsthema und soll in alle Lebensbereiche Eingang finden“, sagt auch Neumann, beispielsweise in der Lehrer*innen-Ausbildung, in den Schulen, aber auch schon in den Kindergärten. Oder in den Altenheimen: Die Grünen fanden schon vergangenes Jahr, dass ein Altenheim für lesbische Frauen und schwule Männer auch in Bremen „dringend notwendig“ wäre.

In Berlin gibt es europaweit die erste Pflegeeinrichtung nur für Homosexuelle, ähnliche Initiativen gibt es ansonsten bislang nur in Metropolen. Neumann zufolge geht es aber auch darum, dass die bestehenden Alteneinrichtungen besser auf die Bedürfnisse und Lebensweisen queerer Menschen vorbereitet sind, etwa mit Fortbildungen für Pflegekräfte. Ob es in Bremen eine separate Einrichtung brauche, müsse man noch „intensiver diskutieren“, so Neumann.

„Es braucht auch mehr Beratungsangebote“, sagt Wargalla – und zwar auch solche in Bremerhaven oder Bremen-Nord. Auch Neumann verweist auf fehlende Strukturen – es fehlten beispielsweise Angebote für Eltern intersexueller Kinder oder für queere Menschen mit Behinderungen. Und auch für Trans*-Menschen: „Da ist die Nachfrage riesig“, sagt Neumann.

2014 hat der ebenfalls im Rat&Tat-Zentrum angesiedelte Verein „Trans*Recht“ noch 37 Beratungen durchgeführt, 2018 waren es bereits 195. Der Verein bekommt aber schon seit drei Jahren von der Stadt nur Geld für 16 Beratungsstunden im Monat – und Trans*Recht würde gerne auch Strukturen und Unterstützung „abseits des Viertels“ anbieten. „Wir haben in den letzten Jahren gemerkt, dass die Perspektive der betroffenen Menschen von der Politik zwar wohlwollend betrachtet wird, den Politiker*innen aber schlicht und einfach viel Wissen fehlt“, sagt eine Vertreter*in von Trans*Recht der taz. „Viele der im Landesaktionsplan angesprochen Themen warten immer noch auf die Umsetzung und wir begrüßen die Chance, die Stadt, bei der Umsetzung der Ziele zu unterstützen.“

Kaum Platz, keine angemessenen Gehälter

Nicht nur die Beratung von Trans*Recht, auch das Rat&Tat-Zentrum selbst platzt aus allen Nähten – in drei Zimmern stehen sieben Schreibtische für zehn Menschen – vertrauensvolle Beratungsgespräche seien da schwierig, so Neumann. Momentan sucht das Zentrum deshalb nach neuen Räumen. Und mehr Geld bräuchte es auch: Derzeit bezahlt das Rat&Tat-Zentrum seine Mitarbeiter*innen noch nach dem Tarifvertrag von 2012 – weil für mehr kein Geld da ist, wie Neumann erklärt: „Wir hinken 30 Prozent hinter der allgemeinen Gehaltsentwicklung hinterher.

Zwar verspricht der rot-grün-rote Koalitionsvertrag – wie vielen anderen auch – das Rat&Tat-Zentrum „finanziell besser auszustatten“. Konkret ist das aber noch nicht, die Haushaltsberatungen kommen erst noch. Und auch das „Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ im Sozialressort ist derzeit unbesetzt, sagt Neumann – und mit gerade mal vier Wochenstunden auch unterbesetzt.

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